Freitag, 09.05.2014 Gipfelstürmer

Nachdem wir gestern quasi einen Ruhetag hatten, können wir heute ein kräftezehrendes Projekt angehen. Ich weiß, dass Jörg scharf darauf ist und auch ich mag diesen Berg. Wen der Tarcu einmal ruft, den lässt er nicht mehr los. Ich war schon ein paarmal oben, mit Bernd und Jörg letztes Jahr haben wir den Gipfel nicht erreicht, weil oben noch Schnee lag.

IMG_1641_bWir bereiten unsere Motorräder vor und machen uns auf den Weg. Dieser führt uns durch Slatina Timis, an Caransebes vorbei nach Borlova und dann in Richtung Muntele Mic. Die Straße ist mittlerweile durchgehend asphaltiert, bei meinem ersten Besuch gab es ab dem Ortsausgang von Borlova nur mehr Schotter unter den Stollen.

Auf halber Höhe zum Muntele Mic biege ich ab auf einen unbefestigten Weg. Tracitionsgemäß machen wir hier eine Pause um etwas zu trinken und uns auf den Aufstieg zu konzentrieren. Die Aussicht von hier trägt ebenso dazu bei, hier ein Weilchen stehen zu bleiben. Petrus meint es heute wieder gut mit uns und schenkt uns Kaiserwetter.

Dann wird es langsam ernst. Der Aufstieg beginnt auf eher lehmigen Geläuf, mehrere Auffahrten sind zu bezwingen, was für uns beide mittlerweile kein Problem darstellt. Dann wird es zunehmend steiler und auch steiniger. Was mit einem modernen Fahrwerk relativ moderat zu meistern ist, wird für unsere über 30 Jahre alten Motorräder zur Herausforderung. An einer der steilsten Stelle stehen zwei Bergradler mit Fotoapparaten in Lauerstellung und nutzen die Gunst der Stunde für ein paar Actionfotos.

IMG_1647_bBei der Wetterstation Cuntu halten wir uns diesmal nicht lange auf, wir sind beide noch frisch. Lediglich die Qual der Wahl, weche der Auffahrten die weniger anstrengende ist, muss getroffen werden. Wir kämpfen uns auf fußballgroßen, lockeren Steinen bergan – den Berg muss man sich verdienen. Klar, man könnte auch nebenan im Gras, aber das verbiete ich meinen Mitfahrern strikt. Wir sind oberhalb der Baumgrenze, die Vegetation hat es so schon schwierig genug. Wer die Strapazen scheut, der kann ja nebenan auf Asphalt den Muntele Mic bezwingen.

Schon als wir bei Caransebes abgebogen sind, fiel mir die Wolkenschicht auf, die den Gipfel des Tarcu bereits eingehüllt hatte. Hier durchfahren wir ab und an kleinere Wolken, die sich verdichten, je höher wir kommen. Es gibt mehrere Wege, wir fahren nicht immer den selben. Eine ganz markante Stelle – eine 270 Grad Kehre auf sehr großen und sehr losen Steinen in einem Hohlweg – ist eine der Schlüsselstellen. Als ich die gemeistert habe, nehme ich die Kamera aus dem Tankrucksack und warte auf Jörg. Doch er kommt nicht, kein Geräusch ist zu hören. Ob er wohl doch die Spur genommen hat, die ein Buggy quer durch die Grasnarbe gezogen hat? Ich kann es mir nicht vorstellen, denn Jörg ist da der gleichen Meinung wie ich. Als ich Minuten später noch immer nichts höre, kicke ich die XT an und fahre weiter bergan.

IMG_1660_bAuch hier ist er weder zu hören und zu sehen. Ich gebe ihm noch ein paar Minuten, bevor ich drehe und hinunter fahre. Währenddessen studiere ich den weiteren Weg. Leise dringt dann doch das sonore ‚ bobb bobb bobb bobb‘ an mein Ohr. Jörg war das Motorrad in einer engen Kurve auf losem Gestein kurz außer Kontrolle  geraten und nachdem er es aufgehoben hatte, wollte es nicht mehr anspringen.
Dort, wo ich meine Maschine abgestellt habe, beginnt ein Schneefeld über dem Weg, dass wir auf einem alten Weg umfahren können. Doch erstmal muss er wieder zu Atem kommen. Es ist schon heftig, hier herauf zu fahren, auch ich war vorhin recht kurzatmig.
Nach der kleinen Pause fahren wir weiter, um das Schneefeld herum. Das Geröll wird kleiner, dafür gibt es zwischendurch immer wieder Stufen aus gewachsenem Fels zu überwinden. Etwas weiter oben stoppt uns ein weiteres Schneefeld, dass ich jedoch mit ein wenig Sicherung von Jörg bezwingen kann. %0 Meter weiter ist für uns dann dennoch Schluss. Der Weg führt als Hohlweg in S-Form zwischem gewachsenen Fels durch, darüber liegen 2m Schnee.
Linker Hand davon sehen wir die wenige Vegetation aufgerissen und die wenige Erde ausgespült ist. Hier ist bestimmt der Track für Dougie und seine Gruppen, dage ich zu Jörg.  Das bestätigt mir Dougie auch am Abend. Für uns und unsere Motorräder ist das zu anspruchsvoll.
Mittlerweile befinden wir uns in einer Wolkenschicht, die vom Wind ab und an aufgerissen wird. Immerhin haben wir es diesmal auf 1.981 Meter geschafft.

Tarcu
Kurz vor dem Ziel hat uns ein Schneefeld gestoppt

Wir wenden die Motorräder und lassen uns ohne Motor talwärts treiben. Über die großen wackeligen Steine ist es besser zu fahren als bergan, man kann etwas schneller rollen und bekommt damit Stabilität in das Motorrad.

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An der Wetterstation Cuntu kommt ein junger Mann heraus und läuft auf die Messhäuschen zu. Ich bleibe stehen und grüße. Er fragt, ob wir Englisch verstehen, es entwickelt sich eine Unterhaltung. Zwei Wochen ist er hier, dann wieder an der Zentrale der Wetterstation im Ort. Auch oben ist besetzt. Die Meterologen müssen notfalls zu Fuß von der Asphaltstraße zu den Wetterstationen gehen – krass.
Jede Stunde liest er hier die Daten ab und sendet diese weiter zur Zentrale. Letztes Jahr, als wir mit Bernd hier waren, ist uns ein Bergradler mit Skiern hintendrauf begegnet, das war der junge Mann, finden wir heraus.

Er findet schön, dass wir ausschließlich die Wege benutzen, denn viele Andere tun das nicht, erzählt er uns. Sollten wir wieder einmal hierher kommen, dann sind wir eingeladen, ihn in seiner Cabana hier zu besuchen – vorausgesetzt er ist da.

Wir verabschieden uns, denn er muss seine Daten ablesen, während wir weiter ins Tal rollen. All die schwierigen Passagen da unten sind plötzlich einfach, wenn man jemals den Felsenweg zum Tarcu hochgefahren ist.

CIMG6108_bDort, wo wir auf die Asphaltstraße abbiegen, steht eine BMW samt Fahrer. Als wir näherkommen, erkennen wir einen Gast in Brebu Nou, der hier auf seine Kollegen wartet. Wir wechseln ein paar Worte, dann fahren wir nach Borlova. Ich genieße die leere Straße und die Haarnadelkurven, obwohl ich mir nicht sicher bin, was mir lieber ist: Die einzigartige Schotterstraße von 2006 oder der heutige Zustand.

In Borlova halte ich bei Zacharias, will fragen, ob er uns etwas zu essen macht. Kaum, dass wir die Motorräder abgestellt haben, schaut er aus der Tür.  Klar bekommen wir etwas zu essen, er bittet uns herein und gibt seiner Fau Bescheid.

Dann setzt er sich zu uns und wir unterhalten uns angeregt über alle möglichen Themen. Das Essen schmeckt wie immer lecker, auch wenn die angekündigten Spaghetti als Makkaroni an den Tisch kommen. Auch hier ist es ein wenig, als besucht man einen Freund. Zacharias kenne ich seit 2006 und wann immer wir in der Nähe sind, schaue ich gern bei ihm vorbei.

IMG_1679_bWeiter geht es nach Turnu Ruieni. Wir wollen hoch zum Turm und ich will einen kleinen Single-Trail suchen, den ich einmal als Abfahrt benutzt habe. Auf Anhieb finde ich den Einstieg, es ist eine V-förmige Einkerbung durch die ein kleines Rinnsal den Berg herunter kommt. 200m nach dem Einstieg führt der Trail rechts aus der Sohle heraus, soweit noch kein Problem. Ein paar Felsen ragen durch den Lehm, hier wir es schon anspruchsvoller. Im zweiten Anlauf bin ich drüber, aber wenig später bremsen mich ein paar Felskanten, die genau im Abstand meiner Beiden Räder aus dem Boden Ragen. Ich schaffe es zwar, das Vorderrad auf den vordern zu heben, das Hinterrad bekomme ich dann nichtmehr die 30cm Felskante hinauf. Jörg kommt zu Hilfe und so ist auch dieses Hinderniss zu meistern. Das nächste kommt 20m weiter. Der Trail ist quasi nicht mehr vorhanden, sondern nur eine Böschung hinunter zum Bächlein. Auch dieses wäre zur Not zu lösen. Vorher gehe ich den weiteren Verlauf des Trails erst zu Fuß ab und stelle fest, dass wir noch weitere 100 Meter schweres Gelände überwinden müssen, bevor es besser wird. Wir sind nur zu zweit, müssten uns gegenseitig helfen – ich entschließe mich, den Versuch abzubrechen und den anderen Weg zu nehmen.
IMG_1684_bDas Umdrehen alleine ist schon eine Herausforderug. Ich fahre schräg in die Böschung, lenke links und rechts, wobei das Vorderrad langsam tiefer rutscht und rolle anschließend in den Gegenhang. Noch ein paarmal den Lenker hin und her – geschafft. Durch das Bachbett rolle ich zurück. Jörgs XT bekommen wir nicht gedreht, viel zu eng. Er muss den Weg rückwärts nehmen, bis dieser so breit wird, dass er die Yamaha wenden kann.

Zur Erholung nehmen wir die Betonstraße nach oben, die bei irgendeinem militärischen Tunnel in den Berg zu einer Schotterstraße wird und in Serpentinen den Berg hinauf führt. Oben verlassen wir diese und wechseln auf einen Single-Trail zum Turm. Die Sicht und das Wetter sind klasse, ich ziehe die Protektorenjacke aus und genieße die Sonne.
Nach einer ausgiebigen Pause geht es wieder bergab, diesmal über einen kleinen Schotterweg, der uns wieder nach Turnu Ruieni bringt. Von hier aus wollen wir über eine rote Piste nach Zlagna. Da, wo der Einstieg in der Karte einzezeichnet ist, finden wir ihn jedoch nicht. Auf Nachfragen finden wir eine andere Möglichkeit und kommen auf einen recht lehmigen Weg, der uns dann aber wieder auf den in der Karte eingezeichneten führt. Dieser ist aber nur mehr an einer unterschieldichen Färbung des Grases zu erkennen. Offenbar ist er schon länger aufgegeben worden.

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Laut Karte sind wir dann doch wieder etwas abseits. Ich sehe einen Kuhhirten in der Ferne und fahre dahin, um nach den Weg nach Zlagna zu fragen. Der meint, es gibt keinen. Seine Frau kommt dazu und meint, es gebe doch einen. Sie zeigt nach links und sagt, wir sollen das Gatter wieder zu machen.

CIMG6116_bNach hundert Metern erreichen wir das Gatter. Ich öffne es und wir fahren in eine Schlammpassage von ca. 350 Metern Länge. Natürlich erst, nachdem ich das Gatter wieder geschlossen habe. Wir beraten uns, welche Spur die richtige ist und sehen dannl dass der Weg durch quer hängendes Gestrüpp blockiert wird. Ich stelle meine XT ab und gehe zu Fuß durch den Schlamm, um mir ein Bild der Lage zu machen.
Das Gestrüpp wurde mit dem Beil zu Fall gebracht, offenbar um den Weg zu sperren. Dahinter wird es trocken und ein Feldweg kreuzt von links nach rechts. Von rechts kommt gerade ein Traktor daher, den frage ich, ob wir richtig sind. Ja, meint der Mann und zeigt über seine Schulter.
Ich gehe zurück und ziehe das Gestrüpp gerade soweit auseinadner, dass wir durch kommen. Dabei bemerke ich, dass neben Jörg eine alte Frau steht und unser Tun beobachtet. Als ich auf sie zugehe, verschwindet sie in eine angrenzende Wiese. Wir durchfahren den Rest der Schlammpassage und biegen auf den Feldweg nach rechts ab. Ganz ohne Navi und Karte finden wir nun den Weg nach Zlagna. Von hier geht es über eine Betonpiste an die E70, wo wir einen Schlenker nach Caransebes machen, um zu tanken. Dann die altbewährte Route nach Slatina Timis und den Berg hinauf. CIMG6118_bWeil das Wetter super ist und wir nich Zeit haben, biegen wir hier rechts in einen Feldweg ab. Ich deute Jörg an, dass er hier die Führung übernehmen soll und halte ganz bewusst nicht an, damit er sich nicht am Navi orientieren soll. Navigieren bedeutet in erster Linie mit den Augen und mit dem Kopf zu arbeiten, und Karte und Navi nur als ergänzende Werkzeuge zu sehen. Hier, wo er die Gegend schin ein wenig kennt, kann er das hervorragend trainieren. Das klappt auch super. Nur ein einziges Mal fragt er mich nach meine Meinung und ein Stück weiter hinten erfährt er, dass ich doch schon etwas mehr Erfahrung habe, weil ich das tiefe Wasserloch umfahre, indem ich auf einen unscheinbaren Weg gewechselt habe. Er bemerkt es diesmal aber gleich und wechselt ebenfalls. Das sind Entscheidungen, die man im Lauf der Jahre duch die Erfahrung trifft. Je mehr man sich mit der Navgation auseinandersetzt, umso mehr lernt man auch, das Gelände weiträumig zu beobachten und nach Alternativen zu suchen. Ich bin mir aber sicher, dass Jörg das auch bald intus haben wird.

Über Garana fahren wir zurück zur Unterkunft, versorgen die Motorräder und kommen dann wieder pünktlich zum Abendessen beim Sonnenuntergang.

Tracklog 2014_05_09
Gesamtstrecke: 180 km