Mittwoch, 09.09.2009 Gudvangen – Jotunheimen Nasjonalpark – Otta

Die Nacht habe ich realtiv ruhig verbracht, jedoch scheint mein lädierter Lendenwirbel nichts von den norwegischen Matratzen zu halten. So bin ich bereits um 07:00 Uhr wieder auf den Beinen. Mein Frühstück besteht aus Tee, einem Müsliriegel und dem visuellen Leckerbissen auf der anderen Seite des Tals.
Ist es anfangs noch trocken, setzt später ein leichter Sprühregen, der aber bald wieder aufhört. Ich kann mich schwer losreisen, so dauert es bis 09:30 Uhr, bis ich alles gepackt und verstaut habe. Während ich die Motorradklamotten anziehe, klopft der Nachbar von der Hytter nebenan und bietet mir eine Dose polnisches Bier an. Ich lehne dankend ab, denn es sind noch ein paar Tage, bis ich es Elisabeth weitergeben könnte. Bis dahin wäre es gut durchgeschüttelt.
Ich steige auf die XT, trete den Kickstarter und tauche wenige Kilometer und einige Kurven später in einen 11 Kilometer langen Tunnel ein. Die Ventilatoren, die für Frischluft sorgen, machen ein beängstigendes Geräusch. Trotzdem bin ich froh, dass sie laufen. Als mich der Tunnel wieder ausspuckt, fahre ich in eine Regenwand, bevor mich – knapp 500m weiter – der nächste Tunnel verschluckt. Der ist zwar ’nur‘ 5km lang, nach 2/3 der Strecke jedoch komplett unbeleuchtet. Den Grund dafür sehe ich im fahlen Licht meines Scheinwerfers an der Seite liegen. Es ist offenbar ein größeres Stück von der Decke runtergekommen und hat dabei Kabel und Lampen mitgenommen. Das gibt mir als Motorradfahrer nicht gerade ein Gefühl der Sicherheit. Die meisten Tunnel sind nicht wie bei uns mit Spritzbeton befestigt, sondern die Wände und Decken sind so rauh, wie sie die Sprengung hinterlassen hat. Unzählige Spalten und Kanten schlucken das Licht meines Scheinwerfers.
Das Schild am Eingang des nächsten Tunnels schockiert mich: 30 Kilometer Länge hat der. Ich habe keine Lust mehr, wie ein Maulwurf dieses Land von unten anzusehen. Zwischen dem Tunneleingang und der Leitplanke ist ca. 50cm Platz. Ein kleiner Fußweg führt im Zickzack den Berg hinauf. Ich halte an und hole die Karte heraus. Das könnte klappen, denke ich mir, nachdem ich diese studiert habe und folge dem schmalen Schotterpfad. Anfangs zeigt sich mein Navi irritiert, will mich immer wieder zurück leiten zum Tunneleingang. Nach einigen Kehren akzeptiert es meine Entscheidung und zeigt ein Wirrwarr an Linien, während ich den Berg erklimme und nach jeder Kehre mit einer noch grandioseren Ausblick auf den Aurlandsfjord belohnt werde.
Etwas weiter oben treffe ich auf einen Aussichtspunkt, einer ästhetisch geschwungenen Holzkonstruktion, die ein wenig an eine Skischanze erinnert. Dann wird das Land zunehmend weiter, die Straße führt in der Ferne zu einem Punkt zusammen, während sich das Panorama in den Vordergrund drängt. Als ich den Kamm erreiche, windet sich die Straße um Felsformationen und Seen, die durchaus die Größe des Ammersees haben können. In der Höhe habe ich so etwas noch nie gesehen, bin ich doch kaum 50 Höhenmeter unter den höchsten Gipfeln. Auch einige Schneefelder finden sich noch, die der wieder einsetzende Regen noch nicht aufgelöst hat.
Dann geht es bergab zum Ardalsfjord. Rechts vonb mir tost ein Gebirgsbach über Kanten und durch Schluchten nach unten. Als ich ihn dann überquere, ist der Wassernebel so stark, dass mir die Brille beschlägt. Die Straße entlang des Ardalsfjordes führt durch etliche kleine Tunnel und bieten mir ein Nauturschauspiel ohnegleichen: Bei Regen in den Tunnel hinein, am anderen Einde – knapp eineinhalb Kilometer weiter – verlasse ich diesen bei Sonnenschein und Regenbogen, nach dem nächsten Tunnel dann wieder Regen.
In Ardalstangen fahre ich eine Tankstelle an, zum ersten Mal in Norwegen dieses Mal. 14,5 Liter kosten 184,15 NOK. 12,7 NOK/Liter ist für uns Deutsche viel aber nicht umsonst kommt Norwegens Reichtum vom Öl. ‚Ha en god dag, og Kjor forsiktik‚ steht auf dem Tankbeleg.  Danke, das habe ich vor.
Noch bis zum Einde des Fjords bleibe ich auf er Straße, dann biege ich nach Osten ab, um nach ein paar Kilometern den Tyn-See zu erreichen. Dessen Ufer folge ich bis Hogeset, quere ein Skigebiet und treffe wieder auf einen See, bevor ich in Vang eine Mittagspause einlege ud mir eine Pizza für 110 NOK, nebst einem halben Liter Cola für 30 NOK gönne.
Strahlender Sonnenschein und leichter Nieselregen gleichzeitig, und das bei typisch bayerischem, weißblauen Himmel – Wahnsinn.
Als ich wieder aufbreche, ist es trocken und bleibt es auch bis zum Ende des Tages. Am Ortsausgang halte ich für ein Foto. Die Rheinfälle in Miniatur, aber nicht weniger beeindruckend.
In Fagernes biege ich von der E16 auf die 51 ab, die Straße ist schmal und steigt bergan, bis ich erneut ein Skigebiet erreiche. Beitostolen hat nicht die langen Abfahren der deutsch-österreichischen Alpen, was das Panorama betrifft kann es aber locker mithalten. Wenig später erreiche ich eine Hochebene, von Gebirgszügen umsäumt und ein paar Berge zwischendrin. Der Vergleich mit dem Monument Valley drängt sich mir auf.
Während ich – auf dem Motorrad sitzend – ein paar Fotos mache, wirft mich eine Windböe fast um. Einen dieser Monumente umfahre ich, der gibt mir den Ausblick auf eine weite Ebene frei, durchsetzt mit vielen Seen. Knapp 20 Meter über dem Boden kommt mir eine Transall entgegen, der Pilot hat Mühe, diese gegen die Windböen auf Kurs zu halten. Als sie über mich hinweg ist, wirft sie sich in Schräglage und verschwindet hinter eine Bergkette.
Ein paar Hytter hat es hier auch, leider erreiche ich niemanden, um eine zu buchen. Wild campen wäre hier toll, einfach um den Anblick zu genießen. Die Sturmböen halten mich dann aber doch davon ab. Kein Windschutz weit und breit.
Einige Kilometer weiter treffe ich neben der Straße auf eine Herde grasender Rentiere. Während ich vorsichtig mit der Kamera auf sie zugehe, beäugt mich einer der Geweihträger misstrauisch und gibt mir irgendwann auch zu verstehen, dass der Mindestabstand erreicht ist.
Die Straße führt entlang des Jotundheimen Nationalpark, hier reiht sich Campingplatz an Campingplatz. Der Ausblick ist so malerisch, dass ich anhalte und nach einer Hytter frage. Kein Problem, wie groß soll sie denn sein? Ich bin mit der kleinsten Hytter vollauf zufrieden, antworte ich, worauf sie mir den Preis nennt: 585 NOK für eine Nacht. Ich frage gleich nochmal, meine mich verhört zu haben. Dann lehne ich dankend ab und fahre weiter. Die Standgebühr für Zelt und Motorrad hätte hier 120 NOK gekostet, zuzüglich 80 NOK pro Person. Dann doch lieber wild campen, denke ich bei mir. In weiser Voraussicht hat man jedoch links und rechts der Straße Schilder aufgestellt, dass hier wildes campen verboten ist. Irgendwie muss man die Campingplätze wohl voll kriegen.

Ich fahre einfach weiter, genieße die grandiose Landschaft und den Sonnenschein. Als ich ein kleines, verwittertes Schild ‚Hytter 500m‘ finde, folge ich der Schotterstrecke und lande auf einem Hof. Der Besitzer werkelt in der Garage. Klar hat er eine Hytter frei. Ich entscheide mich für die kleinste und zahle 300 NOK. Beim Abladen fragt er mich, weshalb ich bei dem Wechselwetter gerade auf einem Motorrad unterwegs bin. So ganz kann ich seine Frage nicht verstehen, denn in der Garage hat er eine Suzuki stehen.
Die Toilette und Dusche ist hinter dem Haupthaus, etwas abenteuerlich zu erreichen (vor allem in der Nacht), aber super sauber. Während bei den meisten Campingplätzen ein Münzautomat in der Dusche hängt, findet sich hier ein Kästchen an der Wand, dass man doch bitte 10 NOK fürs Duschen einwerfen soll, was ich auch gerne tue.

Koordinaten der Hytter: 61°49’41.7″N 8°57’44.3″E

Gefahrene Kilometer heute: 355

Motor aus um 18:50 Uhr

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