Samstag, 15.03.2014 Vulcanii Noroioși – Die Schlammvulkane von Berca

Die Heizung wurde ja erst während meiner Ankunft in Betrieb gesetzt, von daher war es im Zimmer ziemlich kalt. Der Heizkörper wurde dann zwar warm, aber als ich sie heute Morgen angefasst habe, war er aus. Das ließ schlimmes vermuten. Vielleicht hätte ich doch gestern noch duschen sollen.
Die Sorge war unnötig. Es kommt zwar nicht gerade üppig Wasser aus der Dusche, aber es ist warm.
Frisch geduscht gehe ich frisch ans Werk und lade die XT ab. Es zieht mich aufs Motorrad, habe ja auch fast ein halbes Jahr pausieren müssen .. Na ja .. und ganz nebenbei muss ich dem Focus die Dorfdurchfahrt und vor allem die Auffahrt hierher auch nicht unnötig oft zumuten.
Der Mann, der gestern die Heizung in Betrieb genommen hat, kommt mir zur Hilfe. Ruckzuck sind die Spanngurte weg und die Yamaha hat festen – wenn man Schotter so nennen kann – Boden unter den Rädern.
Ich ziehe die Motorradklamotten an, packe den Tankrucksack und rüste das Motorrad auf. Der Chef kommt auch vorbei und begrüßt mich mit Handschlag. Er wartet auf eine Raupe, nebenan soll ein Parkplatz geschoben werden.
Der Weg nach Berca führt – als ich Nehoiu verlassen habe – über gute Asphaltstraßen, die Sonne scheint, es gibt viele Kurven und das Motorrad fühlt sich gut an. So fahre ich dem Ziel genussvoll entgegen. Ich habe im Internet recherchiert, dass es sogar drei Plätze mit Schlammvulkanen gibt und mir als Ziel den Platz mit den größten ausgesucht.
Jedesmal wenn ich eine Romasiedlung passiere, kommen die Kinder gerannt und machen eine Geste, so als würden sie einen Motorradlenker in der Hand halten und Gas geben. Auch ein ca. 3 Jähriger, der von seinem Vater beaufsichtugt wird. Ich überlege mir, ob ich nicht anhalte, und mit ihm mal eine kleine Dorfrunde fahre. Letztendlich lass ich es dann doch, möglicherweise muss ich das dann 100mal wiederholen, wenn die anderen Kinder das sehen.
Dort, wo wir letztes Mal lnks abgebogen sind, fahre ich diesmal geradeaus. Die Straße ist in Sichtweite der Abzweigung zweimal mit losem Schotter repariert, das hält sicher so manches Auto ab. Dann wird sie aber erstmal wieder besser. Ich passiere den Autoparkplatz, laut meiner Karte gibt es weiter hinten noch eine Zufahrt zum Parkplatz oben am Eingang. Ich sehe ein Schild, dass nach rechts den Berg hinauf zeigt. Die Straße, bzw. der Weg ist aber eher ein schlechter Feldweg und ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser zu einem Parkplatz führt.
Also fahre ich geradeaus weiter und erreiche ein kleines Dorf. Dort führen alle Wege in Richtungen, die keinesfalls zu den Schlammvulkanen zeigen. Ich frage einen von zwei Männern, die Gerade die Kühe auf die Weide bringen. Er meint, ich müsse zurück. Auch der zweite, sein Sohn, kommt dazu und erklärt mit blumigen Worten und Gesten, wie ich fahren muss. Ich bedanke mich und fahre weiter. Als ich einen alten Geländewagen passiere – ich denke es ist ein Tatra – kann ich nicht anders: Ich bleibe stehen und mache ein Foto.  Sofort steht der Besitzer am Zaun und fragt, was ich da mache. Nur ein Foto, antworte ich und frage ihn, ob das Auto noch funktioniert. Das bestätigt er und antwortet stolz auf eine weitere Frage von mir, dass das Auto mittlerweile 59 Jahre alt ist. Ich verabschiede mich und sage, dass ich zu den Vulcanii Noroioși will. Er erklärt mir daraufhin den Weg: Zurück und beim ‚Rezervorul‘ la stânga – also beim Tank links.
Der Tank ist eine Gruppe an Ölsilos, in den Wiesen stehen Förderpumpen, die das schwarze Gold hier aus der Erde saugen. Der Weg, den ich fahren soll ist exakt der, den ich vorhin ausgeschlossen habe. Mit der Enduro ist das natürlich kein Problem, wenig später stehe ich vor dem Eingang.
Schon von Weitem sieht das Gelände imposant aus. Ich zahle die 4 Lei Eintritt und laufe auf den ersten der Vulkane zu. Das hier ist großes Kino – nicht zu vergleichen mit den kleinen Schlammvulkanen, de wir vor zwei Jahren nebenan besucht haben.
Da der Weg hierher mühsamer ist, verlieren sich auch nur wenige Leute hierher, und es ist kein einziger der Schlammkrater zerdrückt, wie es beim anderen Gelände war. Dort kommen ja auch ganze Schulklassen hin.
Ich bin einfach nur beeindruckt, fotografiere, filme und staune. Es weht ein heftiger Wind, so dass ich die Kamera kaum ruhig halten kann. Aber es scheint auch die Sonne, so dass der Wind eine angenehme Temperatur hat.
Der größte Krater, den ich sehe, hat gute 4 Meter Durchmesser, der Höchste ist wohl an die 7-8 Meter.

Die Schlammvulkane
wurden zum ersten Mal im Jahr 1867 durch den Franzosen H. Cognard beobachtet, als dieser nach Öl bohrte. Bereits 1924 wurde die Gegend zum Naturreservat erklärt, welches sich auf einer Fläche von 30 km² erstreckt.
Verursacher der Vulkane sind Gaseruptionen tief in  der Erde, die Schlamm und Wasser zur Oberfläche befördern. Aus zirka 3.000 Metern Tiefe dringt Erdgas nach oben und durchquert auf seinem Weg zur Oberfläche tonhaltigen Boden und das Grundwasser. Unter seinem Druck drückt es die Mischung aus Ton und Wasser als Schlamm oben heraus. Sobald der kalte Schlamm die Oberfläche erreicht hat, trocknet er und bildet diese Vulkankegel. Mit dem Schlamm erreichen auch Schwefel und Salzwasser die Oberfläche, die somit für jegliche Vegetation unwirtlich wird. Einige Pflanzarten haben sich darauf eingestellt. Am Eingan ist eine große Tafel mit der Beschreibung dazu.
Die Schlammvulkane sind von der Struktur her den Lavavulkanen ähnlich, nur halt im Miniformat.  Der rund um die Vulkane zerstreuten Schlamm verschafft eine vegetationsfreie Zone.
In Europa sind solche Schlammvulkane nur selten zu finden.

Ich weiß nicht wie lange ich dageblieben bin, alle anderen Besucher waren nur relativ kurz hier. Als sich mein Magen zu Wort meldet, gehe auch ich zurück zum Motorrad und fahre zu den kleinen Vulkanen. Nicht um diese auch noch zu besichtigen, sondern weil ich weiß, dass es hier ein Restaurant gibt. Die Bedienung ist erst sehr eintönig, findet aber mein Rumänisch-Radebrechen lustig und meint, sie kann in etwa soviel in Englisch und in Deutsch. Na gut, dann bestelle ich halt dreisprachig. Wir kommen ein wenig ins Plaudern und sie erzählt mir von einer anderen Attraktion, nicht allzu weit entfernt.
Diese will ich nach dem Essen gleich angehen. Aber die Karte, die ich dabei habe ist zu ungenau und das Navi kennt keine navigierbare Route von hier nach dahin. Dann eben wie beim Endurowandern via ‚Chaosnavigation‘. Das Ziel eingegeben und Luftlinie dahin gesetzt. Dann fahre ich los und versuche den Wegeverlauf mit der Luftlinie in Einklang zu bringen. Anfangs funktioniert das ganz gut. Ich fahre über einen Schotterweg, der gerade bei den Auffahrten neu mit Rollkies befüllt wurde. Das Vorderrad findet kaum Halt, ich fahre im Stehen, um ein wenig Druck nach vorne zu kriegen. Dann fahre ich einen Höhenweg mit herrlicher Panoramasicht und komme letztendlich wieder runter in ein Flußtal auf eine asphaltierte Straße.
Aber nicht lange, dann geht es wieder auf unbefestigtem Weg den Berg hoch. Viele Serpentinen deuten auf viele Höhenmeter hin, die Entfernung wird nur langsam weniger. Fast eine Stunde brauche ich für 4km Luftlinie, 50 Kilometer sind es noch. Ich entscheide mich, das Ziel aufzugeben und einfach nur im Stil ‚der Weg ist das Ziel‘ zu fahren. Dieser wird zunehmend enger und schlechter und ich frage mich, wie die hier ihre Autos hinbekommen. Dann wird es schlammig und feucht, ich muss mit Schwung eine Senke nehmen und eine Auffahrt hoch. Diese ist auf haöber Höhe so weich, dass das Hinterrad durchdreht. Popo nach hinten um Gewicht draufzukriegen, dann habe ich wieder Grip und es geht weiter.
Eine Gabelung – ich nehme den besseren Weg. Der führt auf eine Wiese. Weil ich alleine unterwegs bin, kann ich mir Experimente nicht leisten. Also zurück und den anderen Weg gewählt. Der geht wieder durch eine feuchte Senke und ist über und über mit schmalen Furchen durchzogen, wie Fahrradspuren. Es sind aber alte Leiterwagen, die noch die Holzspeichenräder mit Eisenreifen haben. So etwas habe ich auch in Rumänien lange nicht mehr gesehen.
Ich zögere kurz, aber eigentlich habe ich keine Alternative – zurück geht im Moment auch nicht, dafür bin ich schon zu weit. Also Augen auf und durch. Der Schlamm spritzt bis hoch ans Knie, aber es klappt.
Wenig später erreiche ich eine Ortschaft und erahne einen von links kommenden Weg – das muss der sein, wo ich vorhin umgedreht bin. Vermutlich ist er den Leuten hier auch zu schlecht und sie haben einen neue Alternative geschaffen.
Dieses Gebiet hier ist sehr arm. Mir kommen unweigerlich die Phrasen der Politiker in den Sinn, die mit dem Stichwort ‚Armutszuwanderung‘ Stimmen sammeln wollen. Gerne hätte ich diese jetzt hier und würde gerne deren Antwort wissen, wie die Leute hier denn auf Deutschland kommen sollen und dann auch noch Anträge für das Sozialsystem stellen.
Es ist ein wenig wie Norwegen, es geht steil bergan und dann wieder bergab. Ich streife durch kleine Dörfer und komme wieder in den Wald.
An einer Quelle steht ein ausgehöhlter Baumstamm, davor ein Ochsenkarren, auf dem ein ca. 3 Meter langer Buchenstamm mit 80cm Durchmesser liegt. Ich frage mich, wie er den da draufgekrigt hat.
Die Ochsen sind ausgespannt und dürfen trinken. Anschließend trinkt auch der Bauer. Auch ich halte ein paar Meter weiter, um die Tiere nicht zu stressen. Als ich auf den Brunnen zugehe, grüßt mich der Bauer mit Handschlag und fragt, wo ich herkomme Von den Vulcanii Noroioși sage ich, er schüttelt den Kopf – nu înteleg: Keine Ahnung. Ich bin keine 30km Luftlinie davon entfernt und er hat noch nie davon gehört. Während ich trinke spannt er die Ochsen wieder ein, gibt mir nochmal die Hand und wünscht mir viel Gesundheit und eine gute Fahrt.
Ich fahre noch gute 30km, bis ich wieder auf eine befestigte Straße komme. Will ich auf Asphalt zurück, dann muss ich einen weiten Bogen fahren, verrät mir die Karte. Macht nichts, denke ich mir. Wahrscheinlich ginge es auch anders, aber die Karte ist zu ungenau und für Ausprobieren ist es zu spät, mittlwerweile ca. 17:00 Uhr.
An die 30 Leute kommen mir entgegen, mit Hacken auf dem Rücken. Feierabend. Ich genieße die vielen Kurven, die Sonne und die Gerüche, die der Wind mir zuträgt. Nicht alles riecht gut, ich weiß nicht, was da und dort verbrannt wird. Auch hier ist geologoisch eine Ecke, wie ich sie noch nie gesehen habe. Hauptsächlich Sandstein, der in vielen Schichten abgelagert ist und sich dann senkrecht aufgefaltet hat. Die weicheren Schichten sind erodiert, so stehen noch einzelne Segmente wie Trennwände im rechten Winkel ab.
Eine Frau trägt zwei große Wassereimer vom Dorfbrunnen nach Hause und ich sinniere darüber, wie selbstverständlich es für mich (uns) ist, morgens in die Dusche zu steigen, den Hahn aufzumachen und beliebig viel Wasser in beliebiger Temperatur abzurufen.
Einmal tanken muss ich noch, ein Kettenhund, der zur Tanke gehört bellt mich unentwegt an, vier weitere Hunde schleichen müde herum und versuchen von den Besuchern ein paar Happen zu erbetteln. Einer humpelt auf drei Beinen zu mir und legt sich neben das Moppen, als ich zum Zahlen reingehe. Ich hab leider nichts essbares dabei.
Als ich an der Einfahrt nach Berca vorbeikomme, verschwindet die Sonne gerade links von mir hinter einem Bergrücken. Ab hier fahre ich die gleiche Route wie am Morgen. Nicht viel Verkehr aber viele Serpentinen, so mag ich das.
Als ich bei meiner Pension ankomme, ist die blaue Stunde fast vorbei. Ich fahre die XT trotzdem noch auf den Hänger und verzurre sie mit den vorderen beiden Guerten. Den Rest dann morgen, wenn es wieder hell ist.
Ich werde bereits erwartet. Musik sielt, der Grill ist an und in den beiden Küchen arbeiten zwei Frauen und bereiten Essen zu. Ob es mir etwas ausmachen würde, das Zimmer zu wechseln, werde ich gefragt, denn mein Zimmer hat eine Küche, ein Bad, das Schlafzimmer, eine Art Ankleidezimmer und noch ein zweites Schlafzimmer mit Doppelbett.
Zwei Päärchen sind angekommen und würden das gerne haben.
Mir ist das egal, weng später sind meine Sachen ins neue Zimmer gebracht, etwas kleiner aber hier funktioniert die Heizung, es hat gefühlte 30 Grad. Ich mache sie aus und lasse die Tür offen, denn das kann ich nicht aushalten.
Als Gegenleistung für meinen Umzug werde ich von den beiden Päärchen zum Essen eingeladen. Alle sind schon sehr lustig drauf, was wohl auf diverse Alkoholika zurückzuführen ist. Dann wird aufgetischt: Eine rechteckige Schüssel mit grünem Salat, ca. 40x20x10cm groß. Vom Grill an die 20 Hähnchenschenkel und 10 Schweinesteaks. Eine ebensolche Schüssel wie die für den Salat voller gebratener Kartoffeln, eine riesen Platte voll Wust, Käse und Oliven, ein großer Korb voll Brot.
Eigentlich erwarte ich eine Fußballmannschaft, aber wir bleiben zu fünft. Gegessen wird nicht allzuviel. Aber wir unterhalten uns nett. Einer der Männer spricht ganz gut Englisch, ich antworte so gut es geht in Rumänisch, was ich nicht weiß, fülle ich in Englisch auf. Den Damen beeindruckt, dass ich ein wenig rumänisch kann, die Männer nehmen das gar nicht wahr.
Mittendrin ziehen sich die beiden Damen jeweils in ein Schlafzimmer zurück – die Party ist zu Ende, sagt man mir.  Ich möchte eh noch ein wenig lernen und Blog schreiben, deshalb bedanke ich mich für die Einladung und ziehe mich ebenfalls zurück.
Wenig später fängt es draußen an zu stürmen.