Mittwoch, 08.05.2013 Hilfsprojekte und Tarcu

Heute gehen wir in zivil zum Frühstück, Jörg hat sich gestern sogar rasiert. Denn wir wollen heute unsere Hilfsgüter übergeben. Schon vor dem Frühstück lade ich mein Werkzeug aus und deponiere es auf dem Hänger. So kann ich einen Sitz der Rückbank hochklappen und wir bekommen die Sachen von Jörg auch noch in den Mondeo.
Gegen 9:00 Uhr fahren wir los. Die Straße nach Slatina Timis ist noch immer recht anspruchsvoll. Ich kenne das ja und es macht mir nichts aus, wenn mal ein Stein von unten ans Auto spritzt oder die Hängerkupplung bei einer großen Bodenwelle aufsetzt. Meine beiden Mitfahrer jedoch erschrecken jedesmal aufs Neue. Eine knappe Stunde benötigen wir für die 26 km bis zum Gesundheitszentrum.Schule Slatina Timis

Dieses ist heute voll besetzt, als ich eintrete. Ich grüße auf Rumänisch, die Leute im Warteraum erwidern meinen Gruß. Als ich ein wenig umher sehe, zeigt eine Dame nach hinten: Johny e acolo. Der kommt zeitgleich im grünen Arztkittel um die Ecke und begrüßt mich. Wollen wir gleich los? Fragt er mich. Ich überlege, on das o.k. ist, wenn das Wartezimmer so voll sitzt, aber Johny ist schon draußen und begrüßt den Jörg und den Bernd.

Wir fahren zur Schule, die aus drei Gebäudekomplexen besteht. Die Sachen in eine 3. Klasse, dort begrüßt uns die Lehrerin in deutsch. Johny richtet ein paar Worte auf rumänisch an die Kinder, dann werde ich gebeten, etwas über uns und unsere Aktion zu sagen. Leider übersetzt die Lehrerin nicht sofort, weshalb die Kinder erstmal etwas verdutzt gucken, als Jörg, Bernd und Johny die Kartons öffnen um Lineale, Malkästen, Stifte, Malblöcke und ähnliches zu verteilen. Auch einen Balsaholz-Wurfgleiter bekommt jedes Kind. Die Lehrerin verhindert, dass diese gleich zusammengesteckt und ausprobiert werden. Ich mache derweil ein paar Fotos.
Ähnliches machen wir auch noch in weiteren Klassenzimmern der Grundschule. Als alle Klassen versorgt und auch noch ein paar ‚Reservesachen‘ und Batelscheren/Kleber an die Lehrerinnen verteilt sind, wollen wir zur Hauptschule, für die wir Blöcke, Stifte und Hefte haben.Schule Slatina Timis
Vorher jedoch müssen wir im Lehrerzimmer Platz nehmen und einen Kaffee trinken, der extra für uns vorbereitet wurde. Die Lehrerinnen wollen über uns erfahren und natürlich damit auch danke sagen. Also trinke auch ich einen Kaffee – so einen richtigen rumänischen, mit Satz.
Draußen läuter die Schulglocke. Ich frage, ob die Kinder nun Pause haben, was eine der Lehrerinnen bejaht. Dann fügt sie lächelnd hinzu: Nein, nicht die Kinder haben Pause, sondern die Lehrer, damit sie sich von den Kindern erholen können.
Als die Glocke das nächste mal klingelt, verabschieden wir uns und bekommen nochmals danke gesagt. In der Hauptschule versorgen wir weitere zwei Klassen, den Rest geben wir im Sekretariat ab. Auch hier freut man sich über unsere Mitbringsel und bestätigt, dass diese gebraucht werden.

ADAMS Slatina TimisAnschließend laden wir die Sachen für das Gesundheitszentrum aus. Ein ganzer Tisch voll ist es und mein Mondeo kommt merklich aus den Federn. Wir halten uns nicht allzu lange auf, denn wir wollen ja noch Motorrad fahren. So verabschieden wir uns von Johny und sind bald darauf wieder bergan unterwegs. Mit soviel Gewicht weniger kann ich etwas beherzter fahren, was meine Kumpanen aber eher mit erschrecken wahrnehmen. Zurück in Brebu Nou stellt Jörg fest, dass wir diesmal nur 45 Minuten benötigt haben.

Wir ziehen die Endurokleidung an und machen die Maschinen fertig. Dann fahren wir los – die gleiche Straße zurück, die wir gerade gekommen sind. Nach dem Gesundheitszentrum halten wir uns links, um die vielbefahrene E70 größtenteils zu umgehen. Die staubige Schotterstraße macht auch mehr Spaß 😉
Nach Petrosani wechseln wir dann doch auf die E70 und weiter nach Caransebeș. Da kommt Jörg vorgefahren und deutet mir an, dass er Geld tauschen möchte. Ich finde eine Sparkasse, wir stellen die Motorräder ab und treten ein. An zwei Schaltern stehen Schlangen, eine Dame arbeitet an einer Akte. Auf die gehe ich zu und radebreche auf rumänisch: ‚este a fi posibil cauta valutar?‚ – was soviel bedeutet wie: Ist es möglich, hier Geld zu tauschen? ‚Da‚ antwortet sie und zeigt auf einen Automaten. Wir wollen nicht abheen, sondern tauschen, erwidere ich. Welche Währung, werde ich gefragt. Euro zu Lei. Ja, dort ist der Automat, wiederholt sie und spannt gleich einen neugierig dazugekommenen Sicherheits-Mitarbeiter ein, uns zu attestieren.
Man schieb die Euros einfach in den Automaten rein, der berechnet nach Tageskurs die Valuta und wenn man die Summe bestätigt, kommt dieser Betrag in Lei heraus. Sowas habe ich noch nie in einem anderen Land gesehen.

CuntuUnser Weg führt uns weiter zum Muntele Mic. In Borlova halte ich bei Zacharias und Maria, die sind aber leider in der Stadt beim Einkaufen, so dass wir diesmal leider nicht bekocht werden. Hungrig setzen wir den Weg fort. Dieser ist mittlerweile komplett asphaltiert und so kommen wir schnell voran. Die Serpentinen machen uns Dreien Spaß, wir jagen um die Kurven und Kehren. Auf halber Höhe biege ich in einen Feldweg ab, wo wir bei herrlichem Panoramablick eine Pause einlegen. Jörg holt aus seiner Hecktaschen mal wieder Wiener, Käse und Semmeln hervor und ich wundere mich langsam, wie viel davon er dabei hat.
So gestärkt machen wir uns an die Tagesaufgabe: Ich möchte die Beiden über ihre (vermeindlichen) fahrerischen Grenzen führen. Grob deute ich an, was sie erwartet und lasse sie dann vorfahren, denn sie sollen auch lernen, die eigene Spur zu lesen und nicht nur mir hinterher fahren. Lost geht es auf sandigem Untergrund über hohe, wellenförmige Hügel. Gleich darauf eine erste, steinige Auffahrt im Wald. Ich weiß ja, dass es noch schlimmer kommt. Erstmal geht es wieder ein Stück bergab und durch einige Schlammlöcher, die den Weg massiv verengen.
Dann mehrere Anstiege hintereinander, lose Steine und gewachsener Fels. Wir verlassen den Wald und blicken auf eine Auenlandschaft mit einem See und einigen Gebäuden: Die Wetterstation Cuntu. Drunten sehen wir eine Schaf- und Ziegenherde und als wir uns nähern, kommen die obligatorischen Hirtenhunde auf uns zugerannt. Gerne lassen meine Begleiter mir den Vortritt, es ist die erste derartige Begegnung für sie. Die Hunde umkreisen mich und bellen wie verrückt, ich setze unbeirrt meinen Weg fort, denn solche Begegnung hatte ich schon häufig.Tarcu
Der eigentliche Einstieg zum Höhenweg ist durch einen Traktor versperrt. So mache ich kehrt und versuche es über einen anderen Weg. Mit anderen Worten: Nochmal an der Hundemeute vorbei. Dem Jörg ist das wohl nicht so geheuer, denn er zieht am Gas und schießt an mir vorbei – genau das, was man eigentlich nicht tun sollte. Der (neue) Weg, den es früher noch gar nicht gab, ist recht einfach zu fahren – zumindest bis da, wo er sich wieder mit dem alten Weg vereint. Ab hier wird es schmackig. Wer da noch nicht gefahren ist, der sich auch nicht vorstellen können, wie sich das anfühlt. Vor allem mit den nicht mehr zeitgemäßen Fahrwerken unserer alten XT’s.
Die nun folgenden 20 km sind wirklich Hardcore für Ross und Reiter. Vor allem Bernd, unser Enduro-Küken stößt hier schnell an seine Grenzen. Ich schicke den Jörg voraus, der fehlende Technik mit Kraft kompensiert und so den Weg hinauf rackert. Selber bleibe ich in der Nähe vom Bernd, zum einen um zu sehen, wann er körperlich der Sache nicht mehr gewachsen ist, zum Anderen, um ihm Mut zu machen, wenn er mal stehen bleibt um zu verschnaufen.
Dementsprechend langsam sind wir unterwegs, kommen aber dennoch stetig voran. Bernds eigen, gefühlte Grenze war wohl schon kurz nach dem Einstieg erreicht und so freue ich mich über jeden Meter, den er sich vorwärts kämpft, dabei immer wieder den inneren Schweinehund überwindend.
TarcuLetztendlich hätte er es so sicher bis zum höchsten befahrbahren Punkt des Banat geschafft wenn – ja wenn uns nicht der Schnee einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. 800m Luftlinie bis zum Ziel zeigt mein Navi, als ich in einem Schneefeld stecken bleibe und beschließe, dass wir hier umkehren. Das tun wir natürlich erst nach einer ausgiebigen Pause, um den malträtierten Muskeln eine Erholungsphase zu gönnen. Die Luft ist nicht kalt, aber es weht ein starker Wind, so dass man es ohne Mütze kaum aushalten kann. In Ermangelung dieser setzen wir die Helme auf und legen uns ins Gras, wo man im Windschatten die Wärme der Sonne spürt. Vor unseren Augen ein kollosaler Panoramablick über die Banater Bergwelt.

Dann machen wir uns an den Rückweg. Ohne Motor lassen wir uns bergab rollen und versuchen dabei im Hinblick auf Bernd, die allzu heftigen Passagen zu umfahren. Das gelingt nicht immer, er nimmt es wie es kommt und meistert auch die. An der unteren Wetterstation angekommen wird der Weg wieder einfacher und hier kann ich schon sehen, wie viel routinierter die Beiden die heftigeren Passagen angehen. Mein Plan ist also aufgegangen.Tarcu
An einer dieser steinigen Abfahrten kommt uns ein Mountainbiker mit Rucksack und darauf befestigten Skiern entgegen und ich rätsle, ob er nun zur oberen Wetterstation gehört oder ob er sich wirklich antun will, bis hinauf zur Schneegrenze zu schieben – es ist ja mittlerweile auch schon Nachmittags.
Wir setzen unseren Weg fort und erreichen schließlich wieder das gewundene Asphaltband, dass hinauf zum Muntele Mic führt. Nach kurzer Beratung folgen wir diesem nach oben – so zwischendurch auf Asphalt regenerieren und gleichzeitig in Schräglage den Pass hinauf, dass macht richtig Spaß. Oben am Kreuz setzen wir uns in die Sonne und genießen die Ruhe und die Fernsicht.
Als ein Auto mit Besuchern aus Timisoara kommt, schwingen wir uns wieder auf die Motorräder und den Pass hinunter. Genau an der Stelle, wo wir vorhin auf den Feldweg zu Cuntu und Tarcu aufgebrochen sind, mündet ein weiterer Forstweg in die Passstraße. Diesem folgen wir, einen Fluss entlang bis hinunter nach Poiana Mărulu.
Poiana MăruluDie Straße ist staubig, ich fahre seitlich versetzt hinter Bernd und genieße dabei die Wildwasser- passagen, die der Fluss neben uns durchströmt. Bernd ist mit seinen Kräften ziemlich am Ende, hätte ich gewusst, dass der Forstweg heuer so holprig ist, so wäre ich auf direktem Weg zurück gefahren.
Plötzlich springt das Vorderrad von seiner DR über einen Stein, der dieses über den Rand der Straße in das Bankett zum Wasser hin katapultiert. Geistesgegenwärtig lässt er sich fallen und ich muss voll in die Eisen, um meine XT neben ihm zu stoppen. Danach fahren wir in gemäßigtem Tempo weiter, bis wir das Ende des Forstweges erreichen und auf eine Asphaltstraße kommen auf der wir rechts nach Poiana Mărulu abbiegen.

Dort halten wir vor dem Magazin und holen während einer Rast mit Cola und Schokoriegeln den Zuckerspiegel nach oben und ein paar Kraftreserven zurück, bevor wir uns auf den Rückweg über Oțelu Roșu und Obreja nach Caransebes machen. Dort nochmal die Tanks gefüllt, dann verlassen wir die E70 Richtung Petroșnița und nehmen die Parallelstraße nach Slatina Timis. Die Straße von dort nach Brebu Nou ist den Beiden mittlerweile bekannt. Ich lasse dem Bernd das Tempo bestimmen und folge ihm seitlich versetzt als Flügelmann.

Brebu NouAls wir den höchsten Punkt der Straße erreichen, hat sich der Horizont rot gefärbt, die Sonne ist schon hinter den Hügeln verschwunden. Das restliche Tageslicht reicht aber noch, um nach Hause zu kommen und die Wartungsarbeiten an den Maschinen durchzuführen. Dann wie üblich duschen, Abendessen, ein wenig Zeit, um den Tag nochmal revue passieren zu lassen und ab ins Bett.

Tracklog 08.05.2013
Tracklog 08.05.2013 – 202km mit dem Motorrad