Freitag, 11.09.2009 Skei – Voss

Heute Nacht habe ich sehr unruhig geschlafen, ein Anflug einer leichten Erkältung ließ mich oft wachwerden, um zu trinken. Ich hätte die letzten Tage wohl doch öfter die Gummiüberzieher für die Stiefel benutzen sollen. Dem vielen Nass sind meine Stiefel nicht gewachsen, weshalb ich den ganzen Tag mit feuchten Füßen unterwegs war. Die Goretex-Socken liegen zu Hause, obwohl ich sie zum Einpacken hingelegt hatte.
Das Frühstück wie üblich Tee und Müsliriegel, so richtig in Fahrt komme ich heute nicht. Der anhaltende Regen leistet seinen Beitrag dazu.
Elisabeth ruft an, in Bergen ist es gerade trocken. Irgendetwas läuft da wohl falsch, eigentlich ist Bergen die regenreichste Region in Norwegen 😉 Egal. Im Kopf gehe ich die Alternativen durch: Entweder ganz an die Küste und Inselhopping, Über Førde und dann die 13 runter. Oder aber die 5 runter nach Sogndalsfjøra. Da ich mich nicht entscheiden kann, mache ich es wetterabhängig und fahre erstmal los.

In Stryn halte ich mich links auf die 60. Diese führt um den Faleidfjord, der von spitzen Felsen eingefasst wird, die gespenstisch durch die Regenschleier gucken. In Innvik halte ich an der Tanke und tausche für 186 NOK die Luft im Tank gegen 95%iges. Nebenan ist so eine Art Café, wo ich mal wieder ein vernünftiges Frühstück zu mir nehmen will. Da es aufgehört hat zu regnen, bleiben Helm und Handschuhe draußen. Ein klassisches Frühstück gibt es nicht, ich entscheide mich für ein Omelette mit Salat und 1 Latte Mall – für zusammen 120 NOK. Das wird auch wirklich frisch zubereitet, was natürlich seine Zeit braucht. Genug Zeit für Petrus, um den Wasserhahn wieder aufzudrehen. Das Omelett schmeckt köstlich, nebenbei gucke ich auf der Karte. Aufgrund des Wetters streiche ich die Variante Inselhopping. Viele Fähren bedeuten viel Zeit und sehen tut man bei dem Wetter eh nicht viel. Dann halt die Route über Skei, am Jølstravatnet nach Førde, von da über eine kleine Straße nach Sande, dann über Vadheim am Sognefjord entlang nach Larvik, wo ich die Fähre knapp verpasse.
Es regnet so stark, dass ich zum Schutz der Kamera eine Plastiktüte über den Tankrucksack stülpe. Die ist etwas zu groß, weshalb ich sie immer wieder festmachen muss.
Das Warten auf die Fähre nutze ich, um eine der landestypischen Bratwürste zu vertilgen. Ein Pølser ist eine Art Hot Dog mit Bacon umwickelt und in ein HotDog-Brötchen gezwickt. Das erste Mal auf dieser Tour, dass ich so eine bekomme. Mit 25 NOK überschaubar teuer 😉
Die Fähre legt an und nimmt mich an Bord. 57 NOK kostet der 6km lange Wasserweg nach Oppedal für mich und meine alte Yamaha. Von dort aus fahre ich eine kleine, gelbe Straße den Sognefjord entlang landeinwärts, bevor sie über die Berge nach Matre führt, wo sie auf die E39 trifft.
Auch die E39 ist hier klein und kurvig, so genieße ich das Kurvenschwingen im Bewusstsein, dass ich mit dem TKC80 den passenden Reifen aufgezogen habe. Ein einziges Foto entsteht an diesem Tag, obwohl die Landschaft atemberaubend ist. Allein im strömenden Regen anhalten und die Kamera auspacken, dazu fehlt mir die Lust. Nicht jedoch zum Motorrad fahren.
Ich schwinge um die Kurven, genieße das Spiel von Schwerkraft und Fliehkraft, das Drehmoment wenn ich am Gasgriff drehe und die Welt um mich herum. Ich könnte schreien vor Glück, dass ich das erleben darf – Regen hin oder her.

In Nordli verlasse ich die E39 und fahre auf die 569 Richtung Mo, um dem Mofjord meine Aufwartung zu machen. Weiter geht es von da einspurig, die 569 kann süchtig machen. Geile Kurven, Wasserfälle, gurgelnde Flussläufe, bizarre Felsformationen, kurze und längere Tunnel – teils unbeleuchtet. Wer fahren will, sollte sich auf die Straße konzentrieren, denn es gibt viel Gegenverkehr. Autos passen nur an den wenigen Ausweichstellen aneinander vorbei. Die Landschaft nehme ich aus den Augenwinkeln wahr, nicht jedoch, dass der Reißverschluss meiner mittlerweile über 20 Jahre alten Touareg-Jacke denKampf gegen die Wasserrmassen verloren hat. Der nasse Strich auf dem Sweatshirt darunter breitet sich langsam aus, bis ich vollkommen durchnässt bin – vom Hals bis zu den Oberschenkeln.
In Dale frage ich nach einer Hytter. Es gibt keine – auch nicht auf dem weiteren Weg nach Bergen. Deshalb fahre ich noch ein Stück in Richtung Voss. Als ich einen Campingplatz erreiche, halte ich an und gehe in die Rezeption. Bei jedem Schritt hinterlasse ich eine große Wasserpfütze auf dem Fußboden. Ich muss wohl einen erbärmlichen Anblick abgegeben haben. Jedenfalls meint der nette Herr an der Rezeption, dass eine kleine Hytter 450 NOK kosten würde. Heute würde ich wahrscheinlich jeden Preis bezahlen. Er gibt mir zwei Schlüssel und sagt, ich soll mir die Hytter mal anschauen. Brauche ich eigentlich nicht, er schickt mich trotzdem. Als ich wieder zurück komme und bestätige, dass ich sie nehme, fragt er mich mit einem Schmunzeln, ob ich einverstanden bin, wenn er sie mir für 300 NOK überlässt. Na ja, wenn es nicht anders geht, antworte ich, auch mit einem Grinsen im Gesicht. Während ich ablade, kommt ein junges Päärchen und nimmt die Hytter gegenüber, die müssen tatsächlich den vollen Preis bezahlen.

Die Heizung in meiner Hytter funktioniert ganz gut, nachher wird sie mit Stühlen umzingelt sein und meine Sachen hoffentlich bis morgen trocknen. Nach einer heißen Dusche sind die Lebensgeister wieder da, mein Benzinkocher faucht auf der Veranda Hitze in mein Abendessen, die brave XT muss leider draußen im Regen bleiben. Die kleine Hytter ist voll mit nasser Kleidung, gerade mal ein Bett ist zugänglich, in das ich mich dann auch bald zurückziehe.

375 Kilometer Tagesetappe, trotz strömendem Regen.

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