Freitag, 25.06.2010 Emmering – Brebu Nou

Am Vorabend hab ich schon ein ungewohntes Geräusch wahrgenommen. Als ich heute zur Halle rausfahre, um den Hänger und die DR zu holen, wird es zur Gewissheit: Der Auspuff macht auf sich aufmerksam. Draußen schau ich unter’s Auto und sehe einen Riss an der Muffe zwischen Kat und Vorschalldämpfer. Halten wird das so nicht, also hole ich den Wagenheber und das Schweißgerät. Zu mehr reicht die Zeit nicht, Christian und Peter wollen um 15:00 bei mir eintreffen. Also quetsche ich mich unter’s Auto und versuche, den Riss notdürftig zu verschweißen, was mit meinen marginalen Schweißkünsten, dem wenigen Platz und der physikalischen Angewohnheit von flüssigem Metall, immer der Schwerkraft zu folgen nicht unbedingt zu einem Ergebnis führt, mit dem man einen Preis gewinnen könnte. Bevor ich den Wagenheber auf der anderen Seite ansetze und dort weiter mache, hefte ich noch einen Blechstreifen zwischen Schelle und Vorschalldämpferrohr. Die Naht gegenüber schaffe ich nur zu 80%, dann geht mir der Schweißdraht aus – Murphy lässt grüßen. Im gleichen Moment klingelt das Handy, Christian und Peter sind gerade bei mir zu Hause angekommen – eine Stunde vor dem vereinbarten Termin.

So pack ich das Werkzeug weg, hänge den Hänger an und lade die DR auf. Ganz nebenbei vergesse ich in der Hektik die Tasche mit den Montiereisen und dem Flickzeug, das merke ich aber erst in Rumänien.

Dann schnell zurück nach Hause, unterwegs noch den Urs mit seinen Klamotten eingesammelt. Rodi gesellt sich zu meiner DR auf den Hänger. Zu Hause sitzen Christian und Peter ganz ausgedörrt am Parkplatz an einer kleinen schattigen Stelle. Ich versorge sie erstmal mit Flüssigkeit, Peter kocht einen Kaffe zum Kuchen, den uns Elisabeth extra gebacken hat. Während ich meine Klamotten ins Auto einlade, lege ich die DVD mit den Bildern vom letzten Jahr ein, die Christian bis dato noch nicht gesehen hat und nutze die Zeit, um mir nochmal den Schweiß von der Haut zu duschen..

Gegen 17:30 geht’s dann endlich los.

Wir nehmen die Autobahn über Deggendorf und Passau nach Linz, um den Irschenberg zu umgehen. Die 20km Umweg schonen die Motoren unserer beiden Kleinwagen, die mit den Motorrädern auf dem Hänger, Klamotten, Werkzeug und Zubehör am Limit der Zuladung liegen.

Auf der Höhe von Landshut fängt es vorne im Motorraum an zu klappern. Ich weiß das Geräusch zuzuordnen – klingt nach dem Hitzeschutzblech des Katalysators, was sich bei einem kurzen Stopp auch bestätigt.

In Passau halten wir an der Tankstelle, um die Vignette für Österreich zu kaufen. Die Gelegenheit nutze ich, um mit einer Zange das heiße Blech herauszuholen und – nachdem es kalt geworden ist – im Kofferraum zu verstauen.

Weiter geht die Fahrt nach Österreich rein, der Verkehr ist ruhig und so kommen wir gut voran. Kurz hinter Linz halten wir zum Tankstopp und für eine Rast. Auch die Umfahrung von Wien ist nicht stark befahren. Als wir auf die Raffinerie treffen wird es gerade dunkel.

Direkt an der Grenze nach Ungarn tanken wir nochmal voll und kaufen diesmal auch gleich hier die Matrica, wie die Vignette in Ungarn genannt wird. Eine Vignette ist das auch nicht mehr, seit 2007 bekommt man nur mehr einen Kassenbon, an der Zahlstelle wird das Autokennzeichen erfasst und so kann per Video überwacht werden, wer die Straßenbenutzungsgebühr entrichtet hat.

Die obligatorische Pause machen wir an einem LKW-Parkplatz, etwas abseits der Tankstelle.

Ungarn ist der langweiligste Teil der Anfahrt, weil man knapp 600km überwiegend geradeaus durch die Ebene des Balaton fährt. Erst als wir die Autobahn in Richtung Maco verlassen, um den kleinen Grenzübergang bei Szeged anzusteuern, wird die Landschaft reizvoller rund die Gemüter wieder wach. Das ist auch nötig, denn wenn die Autobahnen in Ungarn mit zu den besten gehören, die ich in Europa bisher befahren habe, so sind die kleinen Straßen doch mit Vorsicht zu genießen. Schlaglöcher und abenteuerliche Bahnübergänge sind dabei noch die kalkulierbaren Risiken. Der Fahrstil der Leute hier verlangt weitaus mehr Konzentration. Es wird trotz Gegenverkehr überholt, mit Todesverachtung in weitem Bogen über die Gegenfahrbahn den Schlaglöchern ausgewichen und nicht selten hat man das Gefühl, man wäre beim Warmfahren für die Formel eins dazwischen geraten.

Der Grenzübergang nach Rumänien ist gewohnt unspektakulär. Die ungarische Station ist gar nicht besetzt, auf rumänischer Seite schaut jemand flüchtig in die Pässe, winkt und dann weiter zum Zollbeamten, der 20m weiter hinten wartet und uns ebenfalls nach einem Blick in den Pass durchwinkt.

Gleich hinter der Grenze bleiben wir an einem kleinen Container stehen, um die rumänische Straßenbenutzungs-gebühr zu entrichten. Früher war das nur ein kleiner, runder Aufkleber, heute bekommt man einen rechteckigen in der Größe der Österreich-Vignette und muß ein Formular mit Name und KFz-Kennzeichen ausfüllen. Die Vignette gibt es für 7 Tage, 1 Monat oder ein Jahr. Wir entscheiden uns für die 7-Tage-Variante, auch wenn wir 8 Tage im Land sein werden. Der Verkäufer fragt uns auch, ob wir Devisen wechseln wollen. Bisher war das hier nicht möglich. Wir verneinen, denn wir wollen in Timisoara tauschen – ein weiser Entschluss, wie wir zum Ende der Woche erfahren. Da erzählt uns ein Neuankömmling, dass er dort getauscht hätte, 3,6 Lei/Euro, während wir in Timisoara 4,4 Lei bekommen haben.

Noch 80km bis Timisoara, die nach der langwierigen Fahrt in der Nacht durch Ungarn wie im Fluge vergehen. Christian und Peter fahren voraus, Urs sitzt bei uns am Steuer, ich nutze die Zeit für ein paar Fotos und um die Landschaft zu genießen.

In Timisoara fahren wir wieder die kleine, etwas versteckte Wechselstube an. Die Seitenstraße, in der wir sonst immer geparkt hatten, ist diesmal zugeparkt, schräg gegenüber gibt es neuerdings eine Reihe kleiner Läden. So bleibt Christian rechts an der Hauptstraße stehen, Urs tut es ihm gleich. Vor uns stehen ein paar Taxis und hinter uns hält auch das ein oder andere Auto und lässt Leute aus- oder einsteigen.

Als wir die Straße in Richtung Wechselstube überqueren, nehme ich aus dem Augenwinkel zwei Polizisten wahr. Kaum, dass wir über die Straße sind, läuft einer der beiden auf unsere Autos zu und fotografiert diese mit dem Handy. Ich sage den anderen Bescheid und gehe sofort zurück. Der zweite Polizist ist wie vom Erdboden verschluckt. In fließendem Englisch informiert uns der Uniformierte, dass wir auf einem Taxistand geparkt hätten und das dies nicht zulässig sei. Wir antworten ihm, dass wir das nicht gesehen haben und unsere Autos sofort wegfahren. Das sei jetzt zu spät, entgegnet er, wir müssen Strafe zahlen. Dann verschwindet er kurz und kommt mit einem Blatt Papier zurück, auf das ein Halteverbotszeichen neben viel Text auf Rumänisch zu sehen ist. Dann schreibt er die Summe auf das Papier: 450 Lei oder 150 Euro. Erst fällt uns die Kinnlade auf den Asphalt, dann beginnen wir zu diskutieren, dass das nicht sein kann. Nirgendwo in Europa würde man für eine Ordnungswidrigkeit so drastisch zur Kasse gebeten. Christian streicht die hintere Null weg (Bei der letzten Inflation wurden in Rumänien die letzten 4 Nullen durchgestrichen, die Leute sprechen aber immer noch von 150 Lei, wenn sie 15 Lei meinen). So werden aus 150 Euro 15 – Lei haben wir ja noch nicht. Zähneknirschend drückt jeder Fahrzeughalter dem Uniformierten 15 Euro in die Hand, für die wir außer dem vorher genannten Papier keine Quittung oder ähnliches erhalten. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Ordnungsgebühr nicht in der Staatskasse landet, sondern die Haushaltskasse des Polizisten aufbessern wird. Er meint, nun sei alles ok. Wir fragen nach, ob wir jetzt hier stehen bleiben können, um unser Geld zu wechseln. Erst bejaht er, dann weist er uns trotzdem an, auf einem Asphaltflecken hinter einem Kiosk zu parken. Was mir wichtig zu erwähnen ist: In den 5 Jahren, in denen ich Rumänien besucht habe, ist dies das einzige Mal, wo ich das Gefühl hatte, übervorteilt worden zu sein.

Die Wechselstube macht grad auf und wir werden wie gewohnt freundlich und korrekt bedient, bevor wir uns wieder auf den Weg machen. Resita ist eine graue, hässliche Industriestadt und unser nächstes großes Zwischenziel. Von hier aus geht es Richtung Semenic. Wir stoppen noch einmal kurz, um die Autos, die Motorräder und den Reservekanister aufzutanken.

Die Straße durch Resita ist ein Abenteuer für sich. Mehrere Zentimeter hoch stehen die Trambahnschienen aus der Trasse, riesige Schlaglöcher, Spurrinnen und Kanten verlangen höchste Konzentration. Am Ortsausgang geht es dann zunehmend bergauf über eine kleine Straße, die in vielen Serpentinen an Höhe gewinnt. War die Straße die letzten Jahre in einem desolaten Zustand, so sind diesmal die meisten Schlaglöcher zugeteert oder gar kleinere Abschnitte der Straße neu asphaltiert. Anstrengend sind diese letzten 40 Kilometer dennoch, weil man kaum über den zweiten Gang hinauskommt. Während der Fahrt sehen wir am Straßenrand einen mit Müllsäcken beladenenTransporter und zwei Männer, die seelenruhig einen Sack nach dem Anderen herausholen und den Inhalt den Hang hinunter entleeren.

Ich fahre die Strecke mit Schwung, die letzten Jahre ist es meinem Fiesta hier immer sehr warm geworden. Ab und an halte ich an und warte, bis Peter mit seinem Gespann nachkommt.

So erreichen wir gegen 11 Uhr dann endlich Brebu Nou, wo wir erstmal die Autos abstellen und vom EnduRoMania-Personal freundlich empfangen werden. Nach einem Erfrischungsgetränk beziehen wir die Zimmer, laden die Autos aus, holen die Motorräder vom Hänger und stellen diese in den Unterstand.