Mittwoch, 19.03.2014 Bike and Hike

Während ich Frühstücke, stellt sich die Restaurantleiterin Adreana zu mir und unterhält sich mit mir. Sie erzählt, dass sie noch nicht groß weg war aus der Bucovina, in Bukarest natürlich – aber da braucht man eigentlich nicht hin, und einmal in Österreich, wo sie ein Vorstellungsgespräch hatte. Die haben sie aber nicht genommen, weil sie zwar fließend Englisch, aber kein Deutsch spricht. Sie interessiert sich dafür, wie es in Rumänien ist. Zum Lacul Rosu wollte sie vor zwei Jahren mal, aber dann hatte sie entweder kein Geld oder keine Zeit.
Ich frage sie, was sie mir empfehlen würde anzuschauen. Im Hinblick auf mein Motorrad würde sie mir den Munții Rarău empfehlen meint sie und erklärt in etwa, wie ich dahin komme. Es gibt wohl zwei Wege hinauf, einen etwas näheren und einen, wo man weiter anfahren muss.
Eine weitere Frau betritt den Frühstücksraum, kommt zu mir und fragt mich, ob alles passt. Ich bitte sie, etwas langsamer zu sprechen, weil ich aus Deutschland komme und nur wenig rumänisch verstehe. Da antwortet sie mir in fließendem Deutsch. Das hat sie von ihrer Großutter gelernt, sagt sie und ich erfahre, dass sie die Besitzerin dieser Pension ist. Es gibt hier auch ein Deutsches Forum, deren Vorstand sie neuerdings ist. Sie haben ähnlich wie in Biled ebenfalls ein Haus mit Fremdenzimmern.
Dann fragt sie meinen Zufriedenheitstatus ab, ich habe nichts zu bemängeln. Sie fragt, was ich vorhabe, ich deute auf mein Motorrad draußen. Daraufhin bringt sie mir eine Karte, auf der alle UNESCO-Kulturerbe-Stätten der Bucovina eingezeichnet sind. Auch der Berg, den mir Adriana empfohlen hat ist drauf, und so kann ich mir nochmals sagen lassen, wo ich den anfahren soll.
Ich erfahre noch einiges, es macht Spaß, sich mit den beiden Frauen zu unterhalten, mit einer auf englisch, mit der anderen auf deutsch. Dann lassen sie mich mein Frühstück fertig essen, ich bekomme noch eine Art Lebkuchenbrot und aufgeschnittene Kiwi als Powerschub für mein Vorhaben.
Ruck zuck ist die XT abgeladen und aufgerüstet, dann gehe ich ins Zimmer, Zähneputzen und die Motorradsachen anziehen. Es ist heute außergewöhnlich spät, als ich loskomme. Macht aber nichts, ich bin ja auch hier, um mich mit den Leuten zu unterhalten.

Zuerst fahre ich ein Stück auf der Straße, über die ich gestern zum Kloster gekommen bin. Es sind ca. 40km bis nach Campulung Moldovenesc. Ich habe den küresten Weg im Navi gewählt und der führt über eine unbefestigte Staße durch den Wald. Wo die Sonne hinkommt ist es trocken und warm, an den anderen Stellen ist die Straße nass und ein wenig schlammig. Ich durchfahre auch ein paar Ortschaften, auf jeden Fall zur Freude der Kinder dort.
In Campulung Moldovenesc führt mich das Navi etwas kompliziert, dafür aber durch kleine Straßen, ans Hinterhöfen vorbei, das ist ganz nach meinem Geschmack.
Ich werfe einen Blick auf die Karte, die ich bekommen habe und sehe eine braune Straße, die rechtwinklig von der Hauptstraße abzweigt. Zwischen Sadova und Sucevita sehe ich, wie sich der braune Strich auf der Karte ordentlich schlängelt. 30km Passstraße, welcher Motorradfahrer lässt sich das schon entgehen. Im Nu bin ich durch die Ortschaft und fahre bergan, wo die ersten Serpentinen beginnen. Was für ein Genuss, die Straße ist trocken und die Sonne scheint mir ins Genick. Als ich die Passhöhe überschritten habe, geht es ebenso bergab. Hier muss man allerdings etwas aufpassen, denn auf der Nordseite, dort wo es Schatten hat, liegt noch ein wenig Schnee.
In Sucevita drehe ich um und fahre zurück und dann weiter auf meiner ursprünglich geplanten Route. In Valea Putnei soll die Straße nach Rarau losgehen, ich finde sie problemlos, denn sie ist gut ausgeschildert. Es scheint im Sommer ein Touristenmagnet zu sein.
Adreana hat mir gesagt, die Straße wäre unbefestigt, sie ist aber wohl im letzten Jahr asphaltiert worden. Ein Genuss für uns Motorradfahrer, windet sie sich doch ähnlich dem Timmelsjoch den Berg hinan. Weiter oben ein paar Schneeflecken auf der Straße, es sind aber Fahrzeuge druchgefahren, so dass zwei Gleise schneefrei sind. Je höher ich komme, umso mehr Schneeflecken bedecken die Straße. Ich sehe einen Abzweig zu einem Kloster, folge aber weiter meiner Richtung. Als ich aus dem Wald komme, sehe ich, dass die Straße erst frisch verbreitert wurde, jede Menge Geröll hat sich gelöst und liegt auf dem Asphalt. Dann ist die Straße ganz mit Schnee bedeckt, die Gleise der Autos, die irgendwann mal hier hoch fuhren sind vereist, Wasser rinnt über das Eis. Volle Konzentration ist angesagt. Die Asphaltstraße endet, links führt eine unbefestigte Straße weiter. Auch diese komplett vereist. Mit abgespreizten Beinen rolle ich langsam durch eine der Rinnen, um gegebenenfalls de Fuhre abfangen zu können.
Dann geht es ein klein wenig bergan auf eine Art Parkplatz, daneben ein Campingplatz. Zwei Autos stehen mitten auf der Straße, ich maövriere vorbei und komme auch mit durchdrehendem Hinterrad ein Stück den Berg hinauf.
Dort lasse ich das Motorrad stehen, denn die Schneeketten liegen zu Hause und alleine wäre es zu gefährlich. Die restlichen 3km gehe ich zu Fuß.

Gleich an der zweiten Kehre zeigt ein Wegweiser nach rechts – 200m bis zu einer Cabana. Die scheint auch bewohnt zu sein, denn es bellt ein Hund. Ich überlege erst, dahinzugehen, entschließe mich aber doch, erstmal den Gipfel anzupeilen. Im Schnee finden sich neben ein paar alten Fußspuren auch frische Spuren eines Tieres. Etwa Handtellergroß tippe ich auf einen Bären. In Brasov habe ich letzte Woche Bärenspuren gesehen, die hatten locker 20cm Durchmessser, da hätte ich mit beiden Füßen reingepasst. Angst habe ich keine, denn Bären sucher normalerweise das Weite, wenn sie jemand kommen hören. Nur, wenn man sie in die Enge treibt ider zu nah vor ihrem Versteck vorbeikommt, greifen sie an. Dies hier scheint ein junges Tier zu sein, er geht mal links, mal rechts und knabbert an den jungen Trieben der kleinen Nadelbäume.
Als ich den Wald hinter mir lasse, sehe ich vor mir ein paar Hütten. Der Weg führt in Serpentinen bergauf, lässt sich aber nicht gut gehen, da er voll schnee ist und man zum Teil knöcheltief einsinkt.
Ich gehe deshalb neben der Straße auf der Wiese. Die ist an sonnenbeschienenen Stellen matschig und in Schattigen Bereichen beinhart gefroren.

So komme ich langsam bergan, erreiche irgendwann einen Gipfel und lasse das Panorama auf mich wirken. Bis tief in die Karpaten kann man blicken, viele Höhenzüge liegen hintereinander.
Es weht ein kräftiger, eisiger Wind und treibt eine Wolkenfront auf mich zu. Ich hole ein Schlauchtuch aus der Jackentasche, rolle es zu einem Stirnband zusammen und schiebe es mir über die Ohren. Schon besser.
Links von mir auf einem Gipfel eine Sendestation, der höchste Punkt scheint der Gipfel rechts daneben zu sein, auf dem ebenfalls ain alter, rostigre Mast steht. Ich stapfe über die gefrorene Wiese wie auf Fels und kämpfe mich so Meter um Meter nach oben.  Kiene 5 Meter bin ich vom Gipfel entfernt, da erreicht mich die Wolkenfront und es beginnt zu schneien. Es ist der richtige Gipfel, oben ein Betonfundament, beschriftet mit dem Namen und der Höhe.

Aufgrund des Wetters hält es mich nicht allzu lange oben, wenig später beginne ich mit dem Abstieg. Dabei kürze ich noch weiter ab, was dazu führt, dass ich über einige Schneefelder muss, wo ich teilweise knietief einsinke. Als ich wieder in den Wald komme, ist der Wind weg, dafür schneit es heftiger.
Fast beim Motorrad angekommen sehe ich jemanden von unten heraufsteigen. Es ist eine Frau, die mich freundlich grüßt. Weil sie gesehen hat, dass ich mir die Bärenspuren genauer angeschaut habe, bestätigt sie meine Diagnose: Acestea sunt urme de urs .
Sie lebt hier oben auf der Cabana und hat nur mal nach ihrem Auto gesehen, erfahre ich weiter. Für einen längeren Plausch ist das Wetter zu ungemütlich, so verabschieden wir uns, sie geht hoch zur Cabana, ich runter zu meinem Motorrad. Erst die Kameras verstaut, dann die Sitzbank getrocknet. Dann rolle ich die Maschine vorsichtig übers Eis, drehe sie in mehreren Anläufen, bevor ich aufsteige, den Motor starte und durch die Eisrinnen zurück in die Zivilisation rolle.
Etwas weiter unten fahre ich direkt in eine Wolke, die hier aus dem Tal seitlch von mir nach oben drückt und mir ein herreliches Schauspiel zelebriert. Ich bleibe stehen und schaue dem Treiben der Wassermoleküle zu. Weiter geht es dann, hinunter ins Tal, wo ich diesmal die Asphaltstraße bevorzuge.

Nass und fröstelnd erreiche ich dei Pension, das Aufladen des Motorrads klappt erst, nachdem ich mit einem Lappen die Auffahrtschiene trocken gewischt habe. Dann gut verzurren und Tankrucksack und Navi abrüsten. Jetzt bin ich an der Reihe: Eine heiße Dusche bringt die Wärme in den Körper zurück und eine Stunde später gibt es wieder etwas leckeres zum Abendessen.

Ein gelungener Tag.