Mittwoch, 26.03.2014 Timișoara und die Kunst

Als ich morgens aus dem Fenster sehe, ist das Dach gegenüber voller Reif. Aber die Sonne hat schon morgens um 7 genug Kraft um diesen wegzutauen, wo sie auf die Dachfläche trifft. Während der ganzen Zeit hier in Rumänien war es wunderbar warm, aber die letzten Tage wird es abends wieder kühl. Elisabeth schreibt mir, dass in Emmering Schnee gefallen ist. Krass. Den ganzen Winter über gab es nur einen einzigen Schneetag, jetzt Ende März hat Frau Holle dann doch noch entschieden, das Federbett mal aufzuschütteln.

Valy ist auch aufgestanden und hat ein Frühstück für mich gezaubert, das für eine halbe Fußballmannschaft gereicht hätte. Ich genieße es, Gurken, Tomaten, Oliven, selbergemachte Blaubeermarmelade, Wurst und ‚oul ochi‘, die Amerikaner würden zu dieser Art Spiegelei ‚sunny side down‘ sagen.

Dann wird es Zeit, auf Wiedersehen zu sagen. Auch Ozi ist mittlerweile aufgestanden. Wir verabschieden uns, dauert nicht lange, dann bin ich wieder hier. ‚Brebu Nou 167′ ist eine Adresse zum Wohlfühlen.
Ich rolle vom Hof und entscheide mich dafür, über Restia zu fahren. Die Strecke ist etwas kürzer, aber weitaus kurvenreicher, weshalb das Navi mich lieber über Slatina Timis schicken möchte. So ein richtiges Motorrad-Navi wird es wohl nie geben und es macht Sinn, als Motorradfahrer ein wenig Ahnung vom Kartenlesen zu haben.

Der Semenic ist ein tolles Gebiet, was ich mittlerweile schon oft mit dem Motorrad genießen durfte. Aber, wo sind all die Schlaglöcher hin? Die Strecke von Slatina Timis nach Brebu Nou war bis vor kurzem so heftig, dass wir öfter mal einen Umweg über einen Feldweg genommen haben, der teils über blanken Fels ging, aber immer noch einfacher zu befahren als die Straße. Die Strecke über Resita war weitaus besser, aber ebenso übersäät von Schlaglöchern, die manchmal mit Asphalt, oft aber einfach auch nur mit Lehm gefüllt wurden, um den Naherholungssuchenden die Fahrt zu den Trei Ape, den drei Seen da oben etwas zu erleichtern.
Nun ist die Straße von Slatina Timis über Brebu Nou und Garana bis hinunter nach Resita in einem Zustand, dass selbst Supersportler eine Freude hätten, durch die unzähligen Kurven zu schwingen.

Am Ortseingang von Resita das alte CFR-Werk, wo früher Lokomotiven gebaut wurden, dann kommt die berühmte Seilbahn quer durch die Stadt. Damit wurde das Erz aus dem Bergwerk zur Verhüttung befördert. Ich weiß nicht, ob das auch Nachts betrieben wurde, stelle mir vor, wie die Wannen über mir wieder in Bewegung geraten.

Mit offenem Fenster fahre ich durch sanfte Hügel in eine immer flacher werdende Landschaft und genieße die Sonne und die warme Frühlingsluft. Schon oft habe ich diese Straße befahren, doch irgendwas hat sich verändert. Es dauert ein paar Bahnübergänge, bis ich es erkenne. Nein, es sind nicht die achsenmordenden Betonplatten, die sicher mit so manchem Fahrzeugunterboden auf Blechfühlung gegangen sind und sich heute weitaus angenehmer darstellen.
Die alten Schranken sind es, die es nicht mehr gibt. Sie sind Moderneren gewichen, hydraulisch betätigten, wie sie auch bei uns zu finden sind. Offenbar hat die EU auch hier dafür gesorgt, das die Arbeitsplätze der Schrankenwärter wegrationalisiet wuden, die hier ein paar Menschen ein Auskommen geboten hat.
Ich bleibe stehen, mache ein paar Fotos und nehme mir vor, diesem Berufszweig einen eigenen Blogeintrag zu widmen.

Am späten Vormittag komme ich in Timisoara an. Heute habe ich erst abends einen Termin mit Sergio, bis dahin habe ich genügend Zeit, die Stadt noch ein wenig zu erkunden.
Wenige hundert Meter nach dem Ortseingang steht so ein Objekt, das schon immer meine Aufmerksamkeit erregt hat: Eine alte MIG steht in einem Firmengelände auf einem Betongestell. Mein Gespann parke ich hinter einem LKW am Straßenrand und gehe zu Fuß los. Als ich das Tor des Geländes erreiche, da sehe ich drinnen eine riesige Haubitze stehen. Scheint ein Betrieb mit Rüstungsaufträgen zu sein, die sehen in der Regel Fotografen nicht so gerne. Deshalb drehe ich um und suche einen anderen Weg, in die Nähe des Flugzeuges zu kommen.
Ich komme an eine Bahntrasse. Mehr als 10 Gleise führen hier entlang. Etliche Fußgänger überqueren diese, obwohl auch eine Brücke vorhanden ist. Auch Kinderwägen werden über die Gleise gehoben.
Ich gehe neben dem Gleis, stelle fest, dass hier schon etliche Schrauben und auch einzelne Schwellen fehlen. Hier hat sich offenbar schon jemand per Altmetallverkauf ein paar Lei zum Überleben verdient. Ein paar Hofhunden passt meine Anwesenheit offenbar nicht, wegen dem Zaun bleibt es aber bei lautstarkem Protest.
Ich mache meine Bilder und sehe aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Zwei Leute durchwühlen etwas weiter hinten den dort abgelagerten Müll nach Brauchbarem. Offenbar passt es ihnen nicht, dass ich sie bemerkt habe, weshalb ich sie auch nicht weiter stören mag und den Rückweg antrete.

Ich fahre zum Parkplatz bei der Oper, den Sergio mir empfohlen hat. Quasi mitten in der Stadt findet sich Platz für mein Gespann und ich den Weg zum Piața Victoriei. Hier tummeln sich unzählige Tauben, die von den Leuten hier gefüttert werden. Offenbar ist es in, sich mit Tauben auf dem Kopf oder auf den Armen zu fotografieren. Eine alte Dame will ihrem Enkel eine Taube in die Hand geben, der hat aber eher Angst davor. Als sie sich bückt, entleert sich das mitgebrachte Futter auf den Boden, wo sich sofort eine riesige Meute an Tauben drauf stürzt.

Noch einem weiteren Tipp will ich folgen. Simina hat mir gesagt, es gebe hier einen Piața 700 Timișoara, wo es einen guten Käseladen geben soll. Auf der Suche nach dem speziellen Käse für Papanasi mache ich mich dorthin auf dem Weg.
Der Platz entpuppt sich dann als Markt, ein wenig wie der Vikualienmarkt in München. Ich schlendere durch die Gänge und bestaune die Auslage. Außenherum gibt es große Hallen und auch kleine Geschäfte, sowie ein paar Imbisse, wo man vor allem Langos bekommt. So eines gönne ich mir auch, betrete dann einen Milchladen und bekomme dort auch das gewünschte Produkt. In der Halle kaufe ich noch ein paar andere Käsespezialitäten als Mitbringsel für zu Hause. Diese bringe ich dann beim Auto vorbei und verstaue sie in der Kühlbox.

Dann gehe ich noch ein wenig durch die Seitenstraßen der Stadt, auf der Suche nach Fotomotiven. Selten habe ich so viel Zeit zum Fotografieren. Anschließend fahre ich zu meiner heutigen Unterkunft, die mein Navi nicht finden will. Da es hier überall offenes WLAN gibt, ist es kein Problem, mal schnell übers Internet nachzusehen, wohin ich fahren muss, so finde ich die Pension auch ohne Navi.
Das Tor öffnet sich lautlos, nachdem ich geklingelt habe. Ich checke ein, dann hole ich das Gespann auf den Hof. Die Chefin zeigt mir, wo ich mich hinstellen soll und lässt mich solange rangieren, bis ich wirklich einen Zentimeter neben dem Bordstein und mit den Hängerrädern an diesem stehe. Warum auch immer. Die Pension scheint nicht so frequentiert zu sein, wirkt auch schon etwas abgewohnt. Aber das Zimmer ist sauber. Ich nutze die Zeit, mich ein wenig frisch zu machen, bevor ich mich um halb sieben wieder auf den Weg nach Timișoaraa mache. Den Hänger lasse ich natürlich da.
Mit Sergio habe ich mich bei der Bastion verabredet, einem alten Festungsbau, der mittlerweile Restaurants und eine Galerie beherbergt – mein heutiger Anlaufpunkt. Ich finde einen Parkplatz direkt vor der Anlage und komme pünktlich zum Beginn eines Künstlersymposiums in der Galerie.

Zwei Künstler, ein Mäzen und der Galerist sitzen an einem Tisch, wir Gäste auf einer mit Polstern belegten Treppe. Es wird über die Kunst in Timișoara und Wolfsberg – einem Ort gleich neben Brebu Nou – diskutiert. Ich verstehe davon etwa 30-40 Prozent.
Nach dem offiziellen Teil macht mich Sergio mit den Anwesenden bekannt, unter anderem auch mit Elisabeth Ochsenfeld, die in Heidelberg und Frankfurt lebt und somit auch perfekt deutsch spricht.
Wir gehen noch in eine Wirtschaft – vergleichbar mit einem Brauhaus-Keller in Bayern. Es gibt deftiges zu Essen und gutes Bier. Ich nehme mit einem Wasser vorlieb und Elisabeth teilt sich mit mir eine Portion Mitch und kommuniziert mit mir in Deutsch. Der Lautstärkepegel ist ähnlich vergleichbaren Lokalen in Bayern so hoch, dass ich kaum ein Wort Rumänisch verstehe.

Es ist schon spät, als wir uns verabschieden und ich zur Pension zurückfahre. Diemal brauche ich gar nicht klingeln, das Tor geht auf, kaum das ich davor stehe. Der Hof steht voller Autos. Mehrere Transporter und ein paar Pkw’s. Ich muss siebenmal rangieren, um mein Auto in meine Parklücke zu bekommen. Zentimeterarbeit. Offenbar ist es eine Pension, die vor allem von Handwerkern genutzt wird.
Müde und zufrieden falle ich ins Bett – Morgen geht es nach Hause.