Samstag, 14.08.2010 Oslo

Heute steht Oslo auf dem Plan. Nach dem Frühstück belade ich die Koffer der XT mit Regensachen und luftiger Kleidung, um in der Stadt nicht mit den schweren Motorradsachen umher laufen zu müssen. Wir währen die Route um den Oreyen-See herum über Fetsund und Lorenskog. Die letzten Kilometer nutzen wir die Autobahn und gelangen so in die Innenstadt. Als ersten wollen wir uns den Frognerpark – oder besser, die darin befindlichen Menschenstatuen des Bildhauers Gustav Vigeland – ansehen. Das Navi will uns am Königsschloss vorbei führen, da ist aber für Motorräder gesperrt. Ich fahre geradeaus weiter und bald hat auch das Navi einen passenden Weg für uns. Die Straßenbahnschienen sind eine Herausforderung im dichten Verkehr und die Ampelschaltung lässt so etwas wie grüne Welle gar nicht erst zu. Dann haben wir den Park erreicht und stellen die XT neben einem Tennisplatz im Schatten ab, verpacken die Motorradjacken etc. in den Koffern und die Helme per Seilschloss auf den Gepäckträger.

Die Wege des Parks sind vom starken Regen von vorgestern recht aufgeweicht, viele Leute weichen auf die Grasflächen aus. Eine Brücke bildet den Anfang der ‚Ausstellung‘ und ist bereits mit Bronzeskulpturen bestückt. Weiter hinten findet sich ein Hügel mit einem 17 Meter hohen Monolithen, der 122 ineinander verknotete Menschenleiber zeigt. Außenrum befinden sich viele Skulpturen, die Menschen aller Altersklassen zeigen, die sich in irgend einer Form begegnen. Wir bestaunen das imposante Werk dieses Künstlers, während die Sonne die letzten Wölkchen vertreibt und die Temperatur deutlich ansteigen lässt. Hinter dem Park am Hang sieht man die neue Skisprungschanze.

Dann gehen wir den Weg zurück und peilen als nächstes den Park um das königliche Schloss an. Das Navi ist nicht für Fußgängernavigation ausgelegt, so lass ich die Luftlinie anzeigen und wir laufen im Zickzack durch die Straßen grob nach der angezeigten Linie. Obwohl wir mitten in Oslo sind, gibt es viele kleine Häuser, teilweise noch aus dem vorletzten Jahrhundert, aus Holz gebaut und mit dem klassischen ‚Stierblut‘-rot gestrichen. Nur wenige Bausünden haben sich dazwischen geschmuggelt.

Der Park bietet kühlen Schatten und veranlasst uns zu einer Rast. Das tun ebenso die drei betagten Nonnen neben uns, eine von denen holt ihr iPhone hervor und tippt behende darauf herum.

Durch eine kleine Steigung erreichen wir den Hintereingang zum Schloss, wo ein Gardesoldat im Stechschritt hin und her marschiert, bevor er sich fast bewegungslos vor seinem Häuschen platziert, nur ab und an den Blick nach rechts und links schweifen lässt, oder das Gewehr von der Schulter nimmt, um es in der linken Hand zu präsentieren. Zwei Mädchen machen sich einen Spaß und fotografieren sich gegenseitig an der Seite des jungen Soldaten.

Als wir um die Kurve gehen, um die Vorderseite des Schlosses zu erreichen, treffen wir auf einen Pulk von Touristen. Es ist gerade Wachablösung. Eine Zeremonie, die ich wohl nicht verstehen werde und die vermutlich, um die Touristen zufrieden zu stellen, in die Länge gezogen wird. Links neben dem Schloss steht ein altes Holzhaus, die Behausung der Wachsoldaten. Davor wird die Wachübergabe durchgeführt. Erst wird jeder Soldat durch einen ’neuen‘ ersetzt, dann laufen kleine Gruppen irgendwelche Formationen ab, bevor die ‚alte‘ Wache im Holzhaus verschwindet. Den Schluss bilden zwei Offiziere, die während der Übergabe mit gezogenem Degen die Kommandos gegeben haben.

Bei einem der Soldaten bildet sich eine Schlange. Während er vor seinem Häuschen steht, kommen Familien, Gruppen oder einzelne Personen, positionieren sich neben ihm und lassen sich fotografieren. Alleine schon deshalb wäre das kein Job für mich.

Dann gehen wir über den gesandeten Vorplatz hinunter zur ‚Karl Johans Gate‘, einer eineinhalb Kilometer langen Straße, die vom Schloss aus das ganze Stadtzentrum bis hinunter zum Bahnhof durchzieht. Es ist Samstag, auf der Straße herrscht reges Treiben, vergleichbar mit der Fußgängerzone rund um den Marienplatz in München. Wir finden eine Wechselstube und können unsere Euros in NOK wechseln. Die freundliche Dame hinter dem Schalter fragt nach meinem Ausweis, der liegt am Campingplatz im Auto. Ich versuche sie davon zu überzeugen, dass mein Führerschein auch ein amtliches Dokument ist, da zückt Elisabeth ihren Ausweis und kürzt somit das Ganze ab.

Als nächstes wollen wir etwas essen gehen. Die üblichen Fast-Foot Tempel lachen mich nicht an, schließlich finden wir unten am Hafen eine Art Pizzeria und lassen uns draußen unter einem Sonnenschirm nieder.

Hier gibt es die unmöglichsten Kombinationen, was alles auf eine Pizza kann. Pizza mit Pommes oben drauf hab ich vorher noch nie gesehen. So was ’normales‘, wie man es beim Pizzabäcker bei uns bekommt, finde ich hier nicht. Schließlich entscheide ich mich für eine vegetarische, die dann nach einiger Zeit auch kommt und wirklich sehr gut schmeckt. Über den Preis hülle ich mal lieber den Mantel des Schweigens, obwohl es eher die günstigste auf der Karte war.

Frisch gestärkt machen wir uns auf den Weg zur neuen Oper. Ein Gebäude neben dem Bahnhof, direkt am Oslofjord, das an eine gestrandete Eisscholle erinnern soll. Vorher streifen wir ein kleines Rasenstück, wo sich offensichtlich die Osloer Drogenszene aufhält. Gerade kommt ein Notarztwagen und kümmert sich um einen leblos daliegenden, während sich keine 4 Meter entfernt ein anderer einen Schuss setzen lässt. Bedrückend, wie schmal der Spalt zwischen kulturellem Luxus und Hoffnungslosigkeit sein kann.

Über eine Fußgängerbrücke erreichen wir die Oper, das weiß des Marmors schmerzt meinen Augen. Überflüssig zu erwähnen, dass meine Sonnenbrille gleich neben dem Ausweis liegt 😉

Das Dach der Oper besteht aus vielen schrägen Rampen und kann so bestiegen werden – ganz kostenlos übrigens. Wir nutzen das auch aus und entdecken das Gebäude von innen und außen, bevor wir uns durch die Stadt auf den Rückweg zum Motorrad machen. Dabei wollen wir diesmal das Schloss umgehen, was sich später als Fehlentscheidung herausstellt, die Straßenführung ist recht ungünstig und so schlagen wir einen großen Haken, bis wir endlich zurück am Motorrad sind.

Die Rückfahrt ist wieder ein Genuss, wenn man von dem kurzen Stück Autobahn absieht. Die Straße windet sich den Berg hinauf und gibt immer wieder den Blick auf den See rechts von uns frei. Zu Hause angekommen schälen wir uns aus dem Klamotten und genießen die Sonne auf unserer Veranda.

Als wir beim Abendessen sitzen und überlegen, ob wir für den Sonnenuntergang runter an den See fahren wollen, biegt ein roter Kleinbus um die Ecke mit der Aufschrift ‚Elgsafari‘. Das hatten wir schon mal gelesen. Flugs gehe ich hin und frage, ob es heute stattfindet und ob noch zwei Plätze frei sind. Ja, wenn wir schnell sind, können wir mit, lautet die Antwort und so packen wir eilig das Nötigste zusammen und steigen ein. Los geht es kreuz und quer durch die näherer Umgebung und ich überlege mir, ob die stattlichen Tiere so nahe an den menschlichen Siedlungen anzutreffen sein werden. Aber – eigentlich haben die gar keine andere Chance, auch wenn das Gebiet hier sicher nicht dicht besiedelt ist, immer wieder taucht ein einzelner Hof zwischen Hügeln, Wäldern und Feldern auf. Dann bleibt der Fahrer plötzlich stehen und deutet auf der dunkle Punkte auf einer Wiese am Waldrand. Leider habe ich in der Eile das Teleobjektiv vergessen, aber mit dem Fernglas kann man ein Muttertier und zwei Jungtier erkennen, die gemütlich grasen, nicht ohne dass die Mutter uns dabei stetig im Auge behält. Weiter geht es mit dem Bus und noch mehrmals werde wir fündig. Als es dann endgültig dunkel wird, fahren wir zurück zum Campingplatz. 120 NOK, also 15 Euro hat der Spaß gekostet – hätten wir keinen Elch zu Gesicht bekommen, dann hätten wir auch nichts zahlen brauchen – wir sind der Meinung, das Erlebnis war es wert.

Ein gelungener Abschluss für diesen Tag.