Sonntag, 22.08.2010 Kvinestal

Heute ist mal wieder ein Reisetag. Wir wollen ein Stück weit in den Südwesten und dort noch ein paar Tage verbringen. Die XT habe ich gestern Abend schon verzurrt, bezahlt haben wir auch schon gestern. So beschränkt sich die Aufgabe vor dem Aufbruch auf Hytter ausräumen und putzen. Auch das ist bald erledigt, kurze Zeit später sind wir unterwegs. Einen kleinen Schlenker zum Tanken nach Rysstad, dann geht es über die 975 den Berg hinauf zu der Hochebene, die wir vorgestern schon mit der XT überquert haben. Ich lasse es langsam angehen, wir möchten die wunderschöne Gegend genießen. Die Norweger, die auf dieser kleinen Straße ebenfalls unterwegs sind, haben es dafür recht eilig. So nutze ich die Ausweichstellen oder breite Straßenabschnitte, um sie an mir vorbei zu lassen.

An einem Parkplatz stehen eine Menge Autos und eine Gruppe Schafe. Besonders an einem Auto machen sich die Schafe zu schaffen. Ich halte kurz an, weil ich nicht gleich erkennen kann, was die Wollknäuel da machen. Die knien auf der Straße, um den Kopf unter die Stoßstange zu bekommen und lecken das Endrohr des Auspuffs ab. Ich nehme mal an, weil es salzig schmeckt. Elisabeth ist auch ausgestiegen und lockt die Schafe mit ein paar Stücken Brot. Die lassen sich nicht zweimal bitten und bald ist Elisabeth von den Schafen umzingelt. Als die Brotscheiben aufgebraucht sind, hilft nur noch die Flucht ins Auto. Ich versuche das Ganze fotografisch zu dokumentieren, dabei läuft immer wieder das gleiche Schaf zielstrebig auf mein Objektiv zu, das geborene Rampenlicht-Schaf.

Wir versuchen weiter zu fahren, das stört die Vierbeiner aber überhaupt nicht. Zwischen Auto und Hänger gibt es einen Schwatz auf Schafisch, erst als ich den Gang einlege und langsam anrolle, bequemen sie sich ein klein wenig zur Seite.

Unten angekommen fahren wir ein paar hundert Meter nach rechts, da gibt es einen Supermarkt, der auch Sonntags geöffnet hat. Wir hoffen, hier etwas Lammfleisch zu bekommen, die vielen Schafe, die hier übers ganze Jahr die leckeren Kräuter verzehren, müssen eigentlich auch ein wohlschmeckendes Fleisch abgeben. Das Sortiment ist groß, das von uns gesuchte jedoch nicht dabei, so machen wir uns ohne Hoffnung auf ein Lammsteak zum Abendessen auf den Weg weiter Richtung Süden.

Hierbei folgen wir der 42 durch das Sirdal, dass laut Reiseführer sehr eng und verlassen sein soll. Gut, Campingplätze finden wir hier nicht und ich überlege mir, weshalb der Autor dringend anrät, diese Gegend nur vollgetankt zu durchfahren. Ich schätze mal, dass es nicht mal 50km sind, bis wir die nächste Tankstelle passieren. Auf der Straße sind hauptsächlich Wohnmobile mit deutschem Kennzeichen unterwegs, vermutlich auf dem Weg zur Fähre.

Ab Tonstad gehört die Straße dann wieder uns fast ganz allein. Kurz bevor wir eine Brücke überqueren, finden wir einen Hinweis auf einen Wasserfall. Dieser befindet sich genau unter der Brücke und ist – wie eigentlich alle Wasserspektakel hier – eindrucksvoll anzusehen.

Ab Kvinlog halten wir Ausschau nach einer Übernachtungsmöglichkeit und schon kurze Zeit später weist ein Schild auf ledige Hytter hin. Ich folge dem Schotterweg für knapp einen Kilometer und dreh dann im Hof eines landwirtschaftlichen Betriebes um. Hier und auch auf dem Weg hierher stehen ein paar Hytter herum. Es ist aber nicht ersichtlich, wer da vorne die Unterkunft anpreist. Da es noch früh am Nachmittag ist und ich keine Lust habe, überall anzuklingeln und zu fragen, fahren wir weiter. Der nächste Hyttergrend scheint ausgestorben zu sein, das übernächste Schild führt uns über einen Schotterweg weit weit hoch ins Nirgendwo. Nach etlichen Kilometern weist ein Schild nach rechts und nach einem weiteren Kilometer bergauf stehen wir neben einem Haus mit der Aufschrift Rezeption. Ich steige aus und klingel, ein schwarz-weiß gefleckter Hund kommt auf mich zu und holt sich ein paar Streicheleinheiten ab. New people, new friends – meint der Besitzer, als ich ihn auf seinen Hund anspreche. Er zeigt sich auch gleich bereit, uns die Hytter ansehen zu lassen, schickt uns voraus und kommt mit Auto und Hund hinterher. Die Hytter sind riesig, mit Nasszelle, Küche und extra Schlafzimmer. Ein Traum, wenn der Preis nicht wäre. 650 NOK/Tag sind uns dann doch zu viel. Wir bedanken uns fürs Zeigen und fahren weiter. Als wir das Tal erreicht haben, wird die Straße zu einem Schotterweg, der als BOM-Weg bezeichnet ist. Wenig später kommen wir bei der BOM-Station an. Man nimmt sich ein Kuvert aus einem Behälter, legt in unserem Fall 30 Kronen hinein und beschriftet das Kuvert mit Namen, Autonummer und Datum. Dieses wird dann in eine Kasse geschoben, nachdem man einen Kontrollbeleg abgerissen hat. Wird man unterwegs kontrolliert, dann wird die Nummer des Kontrollbelegs notiert und – wenn man nicht bezahlt hat, ein Bußgeldverfahren mit 1.000 NOK Strafe eingeleitet.

Wie alle diese BOM-Wege, die ich bisher gefahren bin, ist es eine unbefestigte Straße die in engen Kurven und viel bergauf/bergab durch eine reizvolle Landschaft führt, fast wie durch ein Naturschutzgebiet. Hier sind die Norweger besonders schnell unterwegs, vermutlich wird hier nicht geblitzt, deshalb ist besondere Vorsicht geboten, dass um die nächste Kurve nicht gerade ein Rallye Dakar-Aspirant herum geschossen kommt.

Kurz vor Kvinestal treffen wir wieder auf eine asphaltierte Straße und in Kvinestal auf einen Campingplatz. Auch dieser ist verwaist, an der Rezeption steht eine Telefonnummer, über die man eine Hytter buchen kann. Die Hytter sehen ordentlich aus, wo die Toiletten sind, lässt sich aber nicht herausfinden und der nächtliche Gang durch Kvinestal lässt recht schnell den Entschluss reifen, weiter zu fahren.

Die Straße führt an einem Fjord entlang, wo ein riesiger Schleppnetztrawler liegt, an dem Geschweißt und gebaut wird. Über mehrere kleine Tunnel gelangen wir zu einem Kreisverkehr, der wiederum in einen Tunnel führt. In den Berg wurde hier ein Verkehrsknoten verlegt, wozu die Straßen teilweise spiralförmig durch den Berg gebohrt wurden. Wir nutzen gleich die erste Ausfahrt Richtung Stavanger, nach einem weiteren Tunnel geht es links ab zu einem Campingplatz. Der weg dorthin ist unbefestigt, schmal und kommt uns sehr lang vor. Zwischendurch bremst mich Elisabeth aus, weil sie am Straßenrand Pfifferlinge entdeckt hat. Wir ernten was da ist, es ist nur halb so viel wie gestern, aber schmecken werden sie uns ebenso gut.

Der Campingplatz besteht aus einer Art Jagdzentrum. Lange Gebäude, die wohl etliche Einzel- und Doppelzimmer beinhalten. Weiter unten die üblichen Hytter und auch hier eine umbesetze Rezeption und eine Telefonnummer.

Wir drehen um und finden etwas weiter eine Abfahrt zu einem Campingplatz und dort eine offene Rezeption. Es gibt kleine Hytter für 320 NOK und etwas größere für 400 NOK. Da die größeren für uns keinen echten Vorteil bieten, nehmen wir eine kleinere – erst mal für zwei Nächte – und müssen diese im Voraus bezahlen. Die Hytter selbst ist eine ‚Doppelhytterhälfte‘ und gefällt mir gut, der Sanitärbau könnte etwas sauberer sein.

Nachdem die wichtigsten Sachen verstaut sind, frage ich an zu kochen: Die Pilze, etwas verfeinert mit angeschwitzer Zwiebel als Vorspeise, gebratene Polser und Bohnen mit Speck als Hauptgang. Den eigentlich geplanten Nachtisch lassen wir weg, weil wir beide schon mehr als satt sind. Wir gehen relativ früh schlafen, denn morgen wartet ein Eckpunkt unserer Reise: Das Südkap von Norwegen.