T4 zu mir

Heute ist es soweit. Heute will ich den T4 abholen.

Doch erstmal zur Vorgeschichte:

Ich trage schon länger einen Gedanken mit mir herum, dass ich mir ein Fahrzeug zulegen möchte, in das mein Motorrad hineinpasst. Damit könnte man die Anreise zum Startpunkt meiner Motorradtouren und -Reisen etwas angenehmer gestalten. Wenn man dann noch klappbare Liegemöglichkeiten hätte, dann wäre auch eine Zwischenübernachtung ohne viel Sucherei möglich. Einfach das Motorrad raus, die Betten runtergeklappt und – gute Nacht.

So weit, so gut. Bisher ist diese Idee daran gescheitert, dass brauchbare Fahrzeuge über meinem Budget lagen. Es soll ja eher ein Zweitfahrzeug sein, als das Alltagsauto für den Weg zur Arbeit.

Am Mittagstisch hat einer meiner Dienstleister davon erfahren und meinte, er hätte einen T4, der sich dafür eignen würde. TÜV-fällig und für ihn zu kostspielig, um den wieder fit zu machen. Dafür stimmt der Preis: Für einen obligatorischen Euro wurden wir uns handelseinig. Ohne das Fahrzeug gesehen zu haben, übernehme ich den VW. Ein Handschlag besiegelt das Geschäft nach alter Handerker-Manier.

Ich lasse mir die wichtigsten Baustellen aufzählen: Durchrostungen, Anlasser kaputt, Glühkerzen … Nebenbei recherchiere ich im Internet nach den Schwachstellen dieses Typs und finde auch gute bebilderte Dokumentationen von anderen Schraubern, die sich ihres VW-Busses gründlich angenommen haben. Für mich bedeutet das, das ich meine persönliche Messlatte wieder ein Stück höher lege. Aber was soll schon groß passieren? Wenn ich es nicht schaffe, dann kriege ich das Fahrzeug schon wieder los – schlimmstenfalls zum Schrottplatz.

Meinen Fiesta und meinen Mondeo, einen Astra, Elisabeths Cinquecento und Florians Libero – das sind die letzten Fahrzeuge, deren Autoleben ich mit Flex und Schweißgerät in den letzten Jahren verlängert habe.

Am Dienstag bekomme ich die Papiere und bestelle gleich einen Anlasser. Erst mal das Wichtigste um den Bus nach Hause zu bekommen, der Rest folgt, wenn ich sehe, dass das Projekt machbar ist. 49,50 Euro für ein Neuteil – ohne Austausch. Das ist schon mal überschaubar.

Die Flutkatastrophe macht mir einen Strich durch die Rechnung. Normalerweise kommen die Teile quasi über Nacht. Diesmal ist es auch am Donnerstag abend noch nicht da. Eigentlich hatten wir abgesprochen dass ich Donnerstag oder spätestens Freitag mit Josef nach Hause fahre, um den Bus zu holen.

Als das Teil auch am Freitag mittag noch nicht da ist, entscheide ich mich für Risiko: Ich werde den T4 nach Hause fahre und darf ihn halt nicht abwürgen.

So machen wir uns kurz nach 14:00 Uhr auf den Weg in den Bayerischen Wald. Während der Fahrt bekomme ich noch die ein oder andere Information über den Zustand des Transporters. Zweimal wird die Autobahn auf eine Spur zusammengeführt und die Fahrzeuge, die Richtung Passau oder Richtung Straubing wollen umgeleitet. Dann erreichen wir die Region um Fischerdorf, wo das Hochwasser am schlimmsten war. Links und rechts der Autobahn stehen große Sandsäcke. Man sieht, wie hoch die Wasserlinie stand. Krass.

Beim Autobahnkreuz Deggendorf ist zu sehen, dass die Asphaltdecke abgefräst und neu gemacht wurde. Das war notwendig, weil sich das ausgelaufene Heizöl in den Belag gesaugt hatte.

Beim Veit-Metzger halten wir kurz. Ich hole mir einen Ross-Leberkäse, der Sepp kauft für das Grillen heute Abend ein.  Hier erreicht mich auch der Anruf von Elisabeth, dass der Anlasser eingetroffen ist.

Dann geht es bergan. Ich genieße die Landschaft des Bayrischen Waldes und erinnere mich an viele Motorradtouren hier.

Eine halbe Stunde später sind wir da. Der Bus steht in der Wiese neben der Einfahrt und macht einen traurigen Eindruck. Alle vier Radläufe durchgerostet, die Einstiege ebenso – typische Schwachstellen bei diesem Modell. Auf der linken Seite ein Schaden von vorne bis hinten – die Spuren eines Sekundenschlafes und damit einhergehenden Leitplankenkontaktes einer AZUBIS vom Sepp. Die Beifahrertür hat eine tiefe Beule bei einem Kontakt mit einem Betonpfosten abbekommen, etliche Beulen rund um das Fahrzeug deuten auf ein bewegtes Leben hin.

Zuerst müssen wir den Bus aus der Wiese zerren und anschleppen. Das Abschleppseil kapituliert vor den festgegangenen Bremsen. Auch eine Kette reißt und landet mit einem Knall auf der Windschutzscheibe. Erst der von mir mitgebrachte Spanngurt meistert die Aufgabe und kurze Zeit später nagelt der Dieselmotor des T4 munter vor sich hin.

Ich fahre ihn in den Hof, wo wir das Material ausladen und auch einen Teil der Regale ausbauen. Dann begleitet mich Josef noch bis zur nahe gelegenen Tankstelle, für den Fall, dass ich den Motor abwürge. Mit laufendem Motor tanke ich nach, verabschiede mich und mache mich auf den Heimweg.

Schon bei der ersten Steigung wird es sportlich. Der Motor kommt nicht auf Touren, so dass ich diese mit 30 km/h im ersten Gang bewältige – eine lange Schlange hinter mir her ziehend. Na prima. Sepp hatte mich vorgewarnt, dass die Unterdruckdose des Turboladers manchmal hängt. So lange es bergauf geht, mag ich die aber nicht gangbar machen.

Die auf der Herfahrt noch von mir genossenen motorradfreundlichen Kurven und Steigungen sind jetzt eher stressig. Nicht, weil es mir zu langsam geht, sondern weil ich viele Fahrzeuge im Nacken habe, die hier auch kaum überholen können.

Ich bin schon fast in Deggendorf, als ich einen Parkplatz finde, der genug Gefälle hat, um den Bus anrollen zu lassen. Motorhaube auf und das Gestänge des Unterdruckreglers gangbar gemacht – die Dose werde ich definitiv auswechseln.

Dann geht es weiter. Etwas besser ist es schon, aber noch immer nicht so, wie es sein soll. Vor allem das Anfahren an der Ampel wirkt wie in Zeitlupe. Auf der Autobahn dann lasse ich ihn mit 120 km/h dahinrollen und genieße die Sonne.  Ein Rumpeln unter dem Fahrzeug zwingt mich dazu, die Autobahn an der Abfahrt Plattling kurz zu verlassen und den abgerosteten Schalldämpfer abzumachen und ins Auto zu legen.

Den Rest der Strecke überwinde ich ohne weitere Komplikationen und erreiche gegen 21:00 Uhr mein Zuhause.

Punkt 1 des Projektes ist somit abgehakt.